Wie bereits Angekündigt folgt heute der zweite Teil von Birk Grülings Gastbeitrag „Health Games – Spielen als Therapie“. Im ersten Teil gab uns Birk einige Beispiele, wie Computerspiele in der Medizin schon heute erfolgsversprechende Ergebnisse liefern. Neben weiteren Health Games Projekten geht es im folgenden Beitrag vorallem um die Finanzierung in dem Bereich.
Viel Spaß beim Lesen.
Gute Spiele kosten Zeit und Geld
Trotz einiger positiver Beispiele für den Einsatz von Health Games gibt es eine entscheidende Hürde – nämlich die Finanzierung. Die Entwicklung wirkungsvoller Spiele kostet viel Zeit, Geld und bedarf einer intensiven,wissenschaftlichen Begleitung. „Ein gutes Health Game für eine Konsole zu entwickeln, kostet schnell einen hohen sechsstelligen oder noch höheren Betrag. Selbst weniger aufwändige Mobile Games haben ihren Preis. Auch wenn sich die Spiele nicht mit der Komplexität oder Grafik von Spiele- Blockbustern messen müssen, brauchen sie doch ein durchdachtes Konzept“, erklärt Walz. Sie sollten schließlich Spaß machen und auf eine angenehm, spielerische Weise Lösungsansätzen aufzeigen und Therapien unterstützen. Bisher kommt das Geld für solche aufwendigen Entwicklungen zumeist aus öffentlichen Fördertöpfen. Die deutschen Krankenkassen unterstützen dagegen weder die Entwicklung von Spielen noch ihre Anschaffung durch die Patienten. Das Interesse seitens der Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen ist dementsprechend noch überschaubar. Auch durch Werbung oder Verkäufe im App-Store sind die Kosten kaum zu decken. Gerade die therapeutischen Spiele sind auf ein ganz bestimmtes Krankheitsbild spezialisiert, das Käuferpotential entsprechend begrenzt. „Damit Health Games bei den Patienten ankommen und neue Projekte in diesem Bereich vorangetrieben werden können, benötigen wir dringend einen Abbau der derzeit bestehenden Barrieren, die die Entwicklung eines Health-Games-Marktes verhindern. Die Anerkennung von Health Games durch Krankenkassen wäre ein erster wichtiger Schritt“, sagt Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware. Auch der Status als „Medizinprodukt“ ist noch ungeklärt. Einerseits sichern verlässliche Studien zur Wirksamkeit der Health Games die Qualität der Anwendungen. Andererseits wären die Zulassungshürden für kleine Entwickler-Teams kaum überwindbar, so Schenk weiter.
Finanzierung über die Hintertür
Bis die Rahmenbedingungen rund um Finanzierung und Zulassung geklärt sind, müssen gerade kleinere Entwickler-Teams ohne große Forschungsinstitute im Hintergrund kreative Lösungen finden. So finanzierten die Macher der App „Patchie“ ihre Entwicklung über einen Crowdfunding-Aufruf, der ihnen immerhin 76.000 Euro einbrachte. Zusammen mit Sponsorengeldern soll damit bis 2016 eine kostenlose Smartphone-App entwickelt werden. „Patchie“ richtet sich dabei an Kinder und Jugendliche, die an Mukoviszidose erkrankt sind. Die unheilbare Stoffwechselkrankheit sorgt dafür, dass der Körper zähen Schleim produziert, der Herz und Lunge angreift und die Atmung und Verdauung beeinträchtigt. Die moderne Therapie ist zwar wirksam, aber sehr zeitaufwendig. Bis zu acht Stunden pro Tag müssen die Erkrankten inhalieren, Medikamente einnehmen und kalorienhaltiges Essen zu sich nehmen. Physiotherapie und Bewegung sind ebenfalls Pflicht. Die App will die jungen Patienten zur Behandlung motivieren und über die Krankheit aufklären. Dafür übernehmen die Spieler selbst „Verantwortung“ für Patchie, einen an Mukoviszidose erkrankten Außerirdischen. Für die Einnahme von virtuellen Medikamenten und die Therapie bekommen die Spieler Erfahrungspunkte und Geschenke. So lernen sie spielerisch mehr über die Krankheit und die Notwendigkeit der Therapien. Außerdem enthält die App ein leicht verständliches Therapie- und Medikamenten-Tagebuch. Kopf hinter dem Projekt ist Marc Kamps von der Software-Firma Birds and Trees und selbst Vater eines an Mukoviszidose erkrankten Sohnes. Unterstützt wurde die Entwicklung von einem Betroffenen-Verein und dem Altonaer Kinderkrankenhaus.
Interessant ist auch der Ansatz der Macher des Health Games „Luftikids“. Das Spiel will Kindern den Umgang mit ihrer Asthmaerkrankung erleichtern. Die kleinen Patienten entdecken zusammen mit dem Streifenhörnchen Rudi einen Inselstaat irgendwo im Ozean. Als dort ein Vulkan ausbricht, ist die Idylle bedroht. Alle Bewohner entwickeln Symptome des Asthma bronchiale. Helfen können nur die Spieler. Sie müssen alle Insel bereisen, Wissen sammeln und Aufgaben lösen. Die Besonderheit: Das Spiel findet als eine vierwöchige Online-Schulung statt. Die jungen Asthmapatienten lernen dabei alles über ihre chronische Erkrankung und den richtigen Umgang damit. Richtiges Verhalten wird belohnt, indem die Kinder in immer neue Spielfelder gelangen und am Ende auch etwas gewinnen können. Begleitet wird „Luftikids“ von den behandelnden Ärzten und Therapeuten. Untersuchungen der Universität Gießen zeigten, dass die „Luftikids“-Kinder Therapie-Anweisungen konsequenter befolgen und deshalb weniger Medikamente brauchten und seltener in die Klinik mussten. Inzwischen werden die Kosten für Schulungen von den Krankenkassen bezahlt. Abgerechnet wird allerdings nicht das Health Game, sondern die Beratung.
Wir bedanken uns bei Birk für den Gastbeitrag und hoffen, dass das Thema Health Games weiter an Relevanz gewinnt. Wer sich für das Thema interessiert, sollte sich das Interview mit Manouchehr Shamsrizi, dem Hauptentwickler von RetroBrain, nicht entgehen lassen.