Bereits im Februar haben wir über die Internationale Spieleforscherkonferenz DiGRA (Digital Games Research Association) berichtet, die in diesem Jahr erstmals in Deutschland stattfindet. Vom 14. bis 17. Mai 2015 werden sich rund 250 Experten der Spieleforschung aus aller Welt an der Leuphana Universität Lüneburg versammeln, um über das Thema „Diversity of play: Game – Cultures – Identities“ und aktuelle Fragestellungen der (digitalen) Spielekultur zu diskutieren. Prof. Mathias Fuchs, wissenschaftlicher Forschungsleiter des Gamification Lab im Centre for Digital Cultures (CDC) in Lüneburg und diesjähriger Konferenzleiter der DiGRA, gibt im Interview Einblicke in das vielfältige Programm der Veranstaltung und erzählt, wieso Lüneburg als erster deutscher Standort für die Konferenz ausgewählt wurde und die Forschung zu Computerspielen in Deutschland den USA und Skandinavien gefühlte 10 Jahre hinterhinkt.
GC: Nach Stationen in Amsterdam, Vancouver, Tokyo, London, Utrecht und Atlanta wird dieses Jahr erstmals in Deutschland im Rahmen der DiGRA über die Bedeutung und Rezeption von Computer- und Videospielen diskutiert. Wie hat die Leuphana Universität diese renommierte Veranstaltung nach Lüneburg geholt?
Prof. Fuchs: Die Vergabe der DiGRA an Universitäten geschieht im Rahmen eines Wettbewerbs. Wir haben unsere Universität und das Gamification Lab beschrieben, haben einen Business Plan für die Konferenz vorgelegt und sind dann unter mehreren Bewerbern ausgewählt worden. Das beweist von Seiten der DiGRA ein grosses Vertrauen uns gegenüber, also die Überzeugung der Association, dass die Leuphana solch ein großes Projekt professionell abwickeln kann. Es beweist aber auch, dass die Themen, die wir bearbeiten am Puls der Zeit sind und uns zugetraut wird, diese Themen hochqualitativ zu bearbeiten.
GC: Das diesjährige Thema der DiGRA lautet „Diversity of play: Games – Cultures – Identities“. Als Leiter des Gamification Lab im Forschungsprojekt „Art and Civic Media“ beschäftigen Sie sich tagtäglich mit den Eigenschaften von Games. Was bedeutet “Diversity of Play“ für Sie?
Prof. Fuchs: „Diversity of Play“ – die Vielfalt des Spiels – verweist auf die Ausweitung der „Spielzone“, die wir gerade beobachten. Nicht nur spielen immer mehr Menschen Computerspiele, also nun auch ältere und ganz junge, Männer und Frauen, Europäer und Nichteuropäer, sondern die Spiele selbst haben sich diversifiziert: Es gibt klassische Wettkampfspiele und Puzzles, es gibt Simulationen und abstrakte Welten, es gibt Spiele, die unsere gesellschaftliche Wirklichkeit reflektieren und es gibt Spiele, die Fiktion und Ernst zugleich sind.
GC: Als führender, internationaler Verbund für die Forschung an digitalen Spielen und themenverwandten Bereichen, zieht die DiGRA das Interesse internationaler Experten auf sich. Sind andere Länder in der Lehre und Forschung Deutschland beim Thema Game Studies voraus?
Prof. Fuchs: Man muss leider feststellen, dass Deutschland im Hinblick auf die Akzeptanz von Spielen und spielerischer Erfahrung als ernstzunehmender Erkenntnisweise hinter den anglo-amerikanischen und skandinavischen Ländern hinterherhinkt. Die universitären Bemühungen, sich dem Spiel als einem Studiengegenstand und einem Forschungsgegenstand anzunähern sind etwa dort, wo sie in England und den USA vor 10 Jahren waren. Es ist für den Hochschulbereich und in der Folge auch für die Industrie von höchster Bedeutung, dass Deutschland nachholt, was anderswo bereits geschah. Aus diesem Grund ist die Entwicklung und Einrichtung von Bachelor- und Masters-Studiengängen eine dringliche Aufgabe für unsere Universitäten.
GC: Wer ist die Zielgruppe für die DiGRA?
Prof. Fuchs: Die DiGRA wendet sich an Forscher, die mit Computerspielen in einer der folgenden Arten und Weisen zu tun haben: Theorie und Kritik, Design, Gamification, Technologieentwicklung oder auch Anwendungsbereiche wie Gesundheitswesen, Tourismus, Unterhaltung, Ausbildung, Kunst.
GC: Welche Programm-Highlights möchten Sie dieses Jahr besonders hervorheben?
Prof. Fuchs: Ganz hervorragend sind unsere vier Keynote Vorträge:
- Tanya Krzywinkska (The Gamification of the Gothic)
- Astrid Ensslin (Videogames as Unnatural Narratives)
- Karen Walker (Is Hacking the Brain the Future of Gaming?)
- Markus Rautzenberg (Dealing with Uncertainty. Ludic Epistemology in an Age of new Essentialisms)
GC: Abseits ihrer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Computerspielen, welches Videospiel hat sie persönlich in der letzten Zeit am meisten beeindruckt?
Prof. Fuchs: Ich habe vor kurzem eine ganze Reihe von Indie-Games (Spiele von unabhängigen und nichtkommerziellen Designern) gesehen, die mit kleinem finanziellem Aufwand und hohem Einsatz an Kreativität und Erfindungsreichtum von Studenten hergestellt wurden. Das hat mich mehr beeindruckt als die großen Verkaufserfolge der millionenschweren Konzerne.
Die DiGRA findet vom 14. – 17. Mai 2015 in den Räumlichkeiten der Leuphana Universität Lüneburg statt. Tickets gibt es für DiGRA-Mitglieder ab 270 Euro. Studenten erhalten unter Vorlage eines gültigen Ausweises einen ermäßigten Ticketpreis. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine DiGRA-Mitgliedschaft, die zusammen mit dem Ticketkauf abgeschlossen werden kann. Weitere Informationen zum Programm und Tickets für die DiGRA gibt es auf www.projects.digital-cultures.net.