Computerspiele sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Doch neben den großen Developern sind heute auch die Indies in aller Munde. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, hat mittlerweile so manches Vorzeigeexemplar an Video- und Computerspiel hervorgebracht und macht den kommerziellen Game-Entwicklern mächtig Konkurrenz. In unserer Reihe „Köpfe der Spielebranche“ stellen wir euch heute André Bernhardt vor. Der Berliner ist bereits seit 18 Jahren in der Games-Branche unterwegs und arbeitete bei diversen Publishern wie Sunflowers, RTL Games oder Travian, bevor ihn seine Liebe zu Indie-Produkten in die Selbstständigkeit führte. Mit „Indie Advisor“ untersützt er seit 2012 (kleine) Entwickler, die auf der Suche nach einem Publisher sind und umgekehrt. Im Interview erzählt uns der Branchenveteran unter anderem von seinem Werdegang, seiner täglichen Arbeit als Indie Advisor und was Indie für ihn bedeutet.
GC: Karriere in der Games-Branche: Eher Zufall, oder war es schon immer dein Ziel?
AB: Das war nie mein Ziel, sondern Schicksal. Nach meinem Nebenjob als Schüler an der Playstation Powerline, an der ich 1997 jungen Spielern und Spielerinnen für teures Geld bei Problemen mit Final Fantasy 7 oder Discworld auf der Playstation (1) weitergeholfen habe und weiteren Stationen in der QA und dem Support bei Jowood und Sunflowers, bekam ich bei letzteren ein Jobangebot für eine Stelle im Marketing und verließ die Uni mit meinem VWL-Vordiplom, um in der großen, weiten Welt der Spieleproduktion Fuß zu fassen, was ich bis heute nicht bereut habe.
GC: Welche Definition hast du selbst vom Begriff Indie Games?
AB: Kleine Teams, die mit innovativen Spielmechaniken und/ oder Optik auf eigenes Risiko Spiele produzieren.
GC: Wieso hast du dich dazu entschlossen Indie-Entwickler mit deiner Arbeit zu unterstützen und nicht die großen Games-Publisher?
AB: Mit großen Publishern arbeite ich auch zusammen, aber letztlich ist der Bedarf an externem Business Development bei kleinen Entwicklern in der Regel größer und zudem stecken Indies meist ihr Herzblut in Ihre Projekte und sind darüber hinaus auch nette Menschen.
GC: Inwiefern profitieren Indie-Entwickler von deiner Beratung?
AB: Das müsst Ihr die Indies schon selber fragen. Generell bin ich der Meinung, dass ich ganz gut verdrahtet bin und deshalb finde ich in der Regel immer einen passenden Kontakt für jedwedes Anliegen.
GC: Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus und was machst du üblicherweise für deine Kunden?
AB: Wenn ich nicht gerade unterwegs bin, schreibe ich gefühlt 5.432 Mails am Tag und telefoniere zwischendrin 18 Stunden; dabei halte ich es wie Mr. Wolf aus Pulp Fiction: „Ich löse Probleme!“.
GC: Was ist das Schönste an deinem Job? Was stresst?
AB: Rechnungen stellen und Rechnungen nicht bezahlt bekommen. Nein, quatsch, das Schönste am Job sind die Menschen mit denen man jeden Tag zu tun hat und die man in den verschiedensten Ländern auf zahlreichen Konferenzen und Messen kennenlernen darf.
GC: Ist Gaming auch ein privates Hobby von dir oder hast du nach der Arbeit genug von ihnen?
AB: Unsere Branche ist Entertainment und da sollte man privat auch am Spielen Spaß haben – so auch ich. Ich bin inzwischen jedoch dankbar, wenn man ein Spiel innerhalb von 8 Stunden beenden kann und brauche weniger die 200 Stunden Open World-Erfahrung eines RPGs. Meine Favoriten sind rhythmus- bzw. musikbasierende Titel, wie Crypt of the Necrodancer, Patapon oder natürlich Guitar Hero und Co.
GC: Worin siehst du die größte Herausforderung, der die Indie-Games-Branche gegenübersteht?
AB: Die Markteintrittsbarrieren sind stark gesunken, heutzutage kann fast jeder Spiele entwickeln, was dazu führt, dass die Konkurrenz deutlich härter geworden ist. Die größte Herausforderung sehe ich also darin, lange genug durchzuhalten, bis man irgendwann vielleicht einmal einen Hit landet.
GC: Welchen Tipp kannst aufstrebenden Unternehmen geben, die an ihrem ersten Projekt sitzen und in der Indie-Games-Branche durchstarten wollen?
AB: Nachhaltig und langfristig planen! Die Wahrscheinlichkeit mit dem ersten Titel steil zu gehen, sind leider sehr gering, deshalb sollte man versuchen lange durchzuhalten, um so die Erfolgschancen zu erhöhen. Außerdem empfehle ich, sich nicht crunchend im Keller zu verstecken, sondern möglichst früh den Austausch mit anderen Entwicklern auf Messen, Meet-ups, etc. zu suchen und Feedback zur eigenen Entwicklung zu sammeln. Man muss nicht jeden Fehler selber machen, sondern kann auch von Dritten lernen.
GC: Hast du einen aktuellen Geheimtipp, den wir unbedingt spielen müssen?
AB: Alles, was aus dem Saftladen kommt (www.saftladen.berlin). Mit Happy Tuesday, Studio Fizbin und MaschinenMensch gibt es in Berlin Kreuzberg ein schönes Indie-Entwickler-Kollektiv aus dem sicherlich noch viele fantastische Titel das Licht der Welt erblicken werden, wie z.B. Happy Hockey, dessen Reiz sich im lokalen Multiplayer jedem sofort erschließen wird (https://youtu.be/OjFLA6qAQrk).
Neben seiner Beratungstätigkeit mit Indie Advisor unterrichtet André Bernhardt auch als Gastdozent an Hochschulen wie der MD.H Berlin oder der FH Salzburg. 2015 gründete er gemeinsam mit Thorsten Unger Target Games, ein Unternehmen, das mittels Expertennetzwerk Projekte im Games-Markt entwickeln, koordinieren und finanzieren wird.
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Weitere Ausgaben der Reihe „Köpfe der Spielebranche“ findet ihr übrigens hier.
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