Wohin der Weg einer Absolventin eines Games-orientierten Studiengangs führen kann, zeigt Linda Kruse.Gemeinsam mit ihrem Studienkollegen Marcus Bösch gründete Linda 2013 das Spieleunternehmen „the Good Evil“ in Köln. Seitdem konzipiert und entwickelt die Game-Designerin erfolgreich Serious Games wie das preisgekrönte Lernspiele Squirrel & Bär. Klar also, dass Linda in unserer Blogreihe „Köpfe der Spielebranche“ nicht fehlen darf. Im Interview gibt Linda Einblicke in ihren Arbeitsalltag und erklärt, warum sie interaktive Computerspiele spannender findet, als das lineare Geschichtenerzählen.
Games-Career: Du hast einen Bachelor in Creative Producing und den Master in Game Development and Research. Hast du dich danach gut auf deine Tätigkeit als Spieleentwicklerin vorbereitet gefühlt?
LK: Während des Studium war ich mir, vor allem beim Bachelor, nicht immer sicher, was ich jetzt alles gelernt habe. Das Studium hatte einen hohen Praxisanteil. Als ich dann die ersten Jobs und Projekte im Anschluss umgesetzt habe, war ich selbst überrascht, wieviel ich dann anwenden konnte. Dadurch hatte ich nach dem Master schon mehr Selbstvertrauen, dass ich entweder über das nötige Wissen verfüge oder weiß, wie ich es erlernen kann. Letzteres ist bei dem Fortschritt der Technologie in dieser Branche unabdingbar. Es gibt wenige Wochen, in denen ich nichts Neues dazu lerne. Ich finde es daher auch extrem wichtig, dass gerade Studenten neben dem geforderten Pflichtprogramm der Uni, auch ihre eigenen Projekte umsetzen. Die dafür erforderliche Zeit und das Durchhaltevermögen wird ja auch im späteren Job gefordert.
Games-Career: Gemeinsam mit Marcus Bösch hast du 2013 „the Good Evil“ gegründet. Dort produziert ihr Serious Games wie das preisgekrönte Sprachlernabenteuer „Squirrel & Bär“. Wie entstand die Idee Computerspiele zu entwickeln, deren vorrangiger Zweck die Vermittlung von Lerninhalten ist?
LK: „Squirrel & Bär“ sind zwei Charaktere, die mich schon länger begleiten. Mit der Idee zum Spiel habe ich mich 2010 am Cologne Game Lab beworben. Auch damals stand die Wissensvermittlung (von Sprache) im Vordergrund. Das finale Konzept, welches wir dann auch umgesetzt haben, entstand im Rahmen meiner Masterarbeit. Auch Marcus Masterarbeit war ein Konzept für ein Serious Game. Da wir beide diesen Bereich spannend fanden und gleichzeitig auch Bedarf gesehen haben, war es eine einfache Entscheidung, sich auf Spiele zur Wissensvermittlung zu konzentrieren.
Persönlich mag es daran liegen, dass ich schon bei fiktionalen Filmen das Zeigen von falschen Abläufen schwierig fand. Die Prinzipien und Fehlinformationen prägen sich zu schnell ein (z.B. sollte der Kopf bei Nasenbluten nach vorne gehalten werden, nicht nach hinten. Das Blut läuft nur in den Magen und der mag Blut nicht so gerne). Dabei ist es meist nicht schwer, die Fakten zu überprüfen. Auch Spiele, die der Unterhaltung dienen können extrem davon profitieren, als prominentes Beispiel: Assassin’s Creed.
Bei the Good Evil ging es aber von Anfang an darum Spiele zu entwickeln, die die Welt zu einem besseren Ort machen. Das hat nichts mit Größenwahnsinn zu tun, sondern mit Wissensvermittlung, die den ersten Schritt zu Veränderung ermöglicht.
Games-Career: Wie sieht dein Arbeitsalltag bei The Good Evil aus?
LK: Mein Arbeitsalltag variiert. Der durchschnittliche Bürotag fängt meist nicht vor 10 Uhr an. Dann gibt es ein kurzes „Standup“ mit dem Team, bei dem die wichtigsten Aufgaben des Tages/Woche sowie Fortschritte oder Probleme besprochen werden. Anschließend gibt es meist noch E-Mails zu laufenden oder anstehenden Projekten zu beantworten, die Projektplanung zu aktualisieren sowie Telefonkonferenzen/Aufgaben als GAME-Vorstand zu erledigen. Nach dem Mittagessen geht es dann an die Arbeit in den Projekten. Also Game- oder Level-Design, Scripting, Skizzen, Testen und Kommentieren von neuen Szenen, Animationen, Grafiken oder Features. Fragen beantworten oder Überarbeitungen besprechen. Dann folgt in den ruhigeren Abendstunden noch alles, was mit Geschäftsführung und Papierkram im weitesten Sinne zu tun hat. Das kann dann bis 20/21 Uhr oder später gehen. An anderen Tagen bin ich unterwegs auf Konferenzen, bei Kunden oder gebe Workshops.
Games-Career: Was ist das Schönste an deinem Job? Was stresst?
LK: Das Schöne an der Arbeit von Spielen ist das Playtesting, insbesondere mit Kindern, die Freude am Spielen haben und alles so funktioniert, wie vorgestellt. Auch die immer wieder neuen kreativen Herausforderungen an die Integration der Inhalte in die Spielmechanik macht mir Freude. Dazu kommt die Arbeit mit tollen Leuten in einer internationalen Branche. Stressig kann es werden, wenn Projektabgaben anstehen und sich unerwartete technische Probleme ergeben – das lässt sich nicht immer vermeiden. Und natürlich auch, wenn die letzten 5% vor Fertigstellung eines Spiels anstehen. Da kann man noch so viel priorisieren, denn am Ende soll das Spiel gut werden und die Möglichkeiten sind unendlich.
Schön und stressig ist das Arbeiten aus oder mit anderen Zeitzonen zusammen. Wir hatten schon Skype-Calls über fünf Zeitzonen und Länder.
Games-Career: Sind Spiele nach wie vor ein privates Hobby von dir oder hast du nach der Arbeit genug von ihnen?
LK: Ich spiele gerne nach der Arbeit oder am Wochenende. Dazu zählen neben digitalen Spielen auch viele Brettspiele. Gerne auch Online-Multiplayer mit Freunden. Ich habe aber auch andere Hobbies, wo ich nicht in einen Bildschirm gucken muss. Wir suchen auch noch zwei Frauen für unser Dota2-Team, meldet euch!
Games-Career: Mit dem Lernabenteuer „Squirrel & Bär“ habt ihr bereits zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen ergattert. Darunter zwei DCP-Nominierungen und der Sieg beim Deutschen Entwicklerpreis 2014 in der Kategorie „Bestes Kinderspiel“. Wie habt ihr von dem Preis profitiert?
LK: Als junges Unternehmen haben wir sehr durch die verschiedenen Preise profitieren können. Dazu zählt mehr Vertrauen der Eltern und Lehrer in das Spiel und den pädagogischen Mehrwert. Und natürlich mehr Aufmerksamkeit für the Good Evil, aus der dann neue Aufträge oder Kontakte entstanden sind.
Games-Career: In diesem Jahr bist du selbst in der Jury des Deutschen Computerspielpreis. Welchen Stellenwert hat der Preis für die deutsche Spielebranche und welche Bedeutung hat er deiner Einschätzung nach für Gewinner in der Nachwuchskategorie?
LK: Ich bin sehr froh, dass der Deutsche Computerspielepreis auch dieses Jahr wieder tolle Deutsche Spiele auszeichnen kann und dass er sich in jedem Jahr zum besseren weiterentwickelt hat. Ich persönlich finde den Preis für die Branche sehr wichtig, da er auch von politischer Seite den gesellschaftlichen und kulturellen Wert von Spielen als Medium würdigt. Und somit auch für Aufmerksamkeit für das Thema „Spiele“ außerhalb der Gamesbranche sorgt.
Die Nachwuchskategorie ist großartig, um das eigene Konzept einem Realitätscheck zu unterziehen. Mit dem Preisgeld und den Mentorenleistungen wird dann der Weg zur Fertigstellung ein bisschen einfacher. Der anstrengendste Teil der Spieleentwicklung liegt zwar noch vor den Teams, aber sie müssen ihn nicht alleine gehen – sie können sich Hilfe und Rat holen, erste Erfahrungen sammeln und Kontakte untereinander und in der Branche knüpfen.
Und vielleicht kommen sie dann nächstes Jahr wieder und Gewinnen den DCP als „Bestes Deutsches Spiel“, so wie Studio Fizbin 2013. Auch sie waren 2012 neben „Squirrel & Bär“ für das Beste Nachwuchskonzept nominiert, saßen neben mir und sind zu guten Freunden geworden.
Games-Career: Last Words?
LK: Es ist an der Zeit, dass Spiele in die Lehrpläne (Aus- und Weiterbildung) integriert werden, ein Fokus auf Medienkompetenzvermittlung für Eltern, Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche gelegt wird und Spiele als Leitmedium des 21. Jahrhunderts auch in konservativeren Branchen wahrgenommen werden.
Wir bedanken uns herzlich bei Linda für das ausführliche Interview und wünschen ihr und ihrem Team von the Good Evil weiterhin viel Erfolg.