Games-Career.com: Karriere in der Games-Branche: Eher Zufall, oder war es schon immer dein Ziel?

Mareike Ottrand: Wie so oft im Leben ist es etwas dazwischen: Designerin wollte ich schon immer werden, da gab es in meinem Lebenslauf keinerlei Verirrungen (obwohl ich Verirrungen in Lebensläufen durchaus sympathisch finde). Schon früh war klar, dass ich fantasievolle Welten, lebendige Charaktere und spannende Schauplätze gestalten und mit diesen Mitteln erzählen will. Den letztendlichen Schritt in die Branche habe ich allerdings erst mit Alexander und Sebastian gemacht, den Mitgründern von Studio Fizbin.

Ok, außerdem hat mir das der Automat im Job-Center so ausgespuckt.

Games-Career.com: Dein Diplomprojekt „The Inner World” wurde 2014 als „Bestes Deutsches Spiel” mit dem Deutschen Computerspielpreis (DCP) ausgezeichnet. Habt ihr von dem Preis profitiert?

Mareike Ottrand: Klar, wir haben ein Selfie mit Alexander Dobrindt 😉

… Rückblickend sind solche Meilensteine natürlich schwer zu isolieren, dennoch denke ich unsere Karrierewege wären ohne den Preis anders verlaufen, was ja schon mal eine mächtige Wirkung darstellt. Der Preis stellt eine Art Qualitäts-Siegel dar, welches ohne Zweifel die eine oder andere Situation positiv beeinflusst hat, vor allem wenn man mit branchenfremden Bereichen interagiert. Das Pitchen um ein Projekt in einem Museum zum Beispiel, oder den Mut einen zweiten Teil von „The Inner World“ zu machen. Oder das Bewerben um eine Professur mit 31. Jeder von uns hat da auf seine Art und Weise profitiert, aber natürlich auch wir als Team. 

Games-Career.com: Seit 2015 bist du selbst in der Jury des DCP tätig. Welchen Stellenwert hat der Preis für die deutsche Spielebranche und inwiefern bringen die Preisgelder Jungentwickler voran?

Mareike Ottrand: Der Preis selbst versteht sich als Förderung, der DCP hat das höchst dotierte Preisgeld für digitale Spiele weltweit. Zum einen bekommen die Preisträger Aufmerksamkeit, denn in der deutschen Gamesbranche ist es wichtig, wahrgenommen zu werden. Vor allem in der Nachwuchskategorie liefert die Auszeichnung den manchmal wichtigen Anschub und das Selbstvertrauen. Zum anderen bietet das Preisgeld die notwendige finanzielle Unterstützung für zukünftige Projekte. Zwei wichtige Faktoren. Der Preis steht somit für die Anerkennung für das bisher Geleistete und für die Erwartung an noch Kommendes. 

Games-Career.com: Was empfiehlst du denjenigen, die in der Games-Branche durchstarten wollen?

Mareike Ottrand: Den Glauben an eigene Ideen, Durchhaltevermögen und Erdnussbutter.

Mareike und ihr Kollege Alexander Pieper von Studio Fizbin, bei ihrem DCP-Gewinn 2014 gemeinsam mit Bundesminister Alexander Dobrindt

Games-Career.com: Wie teilst du dir deine Zeit zwischen der Professur und der Arbeit an neuen Projekten von Studio Fizbin auf? 

Mareike Ottrand: Ganz klar muss man sagen, dass die Professur meine Hauptaufgabe ist, und somit die meiste Zeit einnimmt.

Nebenbei versuche ich so viel wie möglich an Projekten zu arbeiten, nicht nur weil mir das Studio und die Menschen viel bedeuten, auch weil ich das praktische Arbeiten und Gestalten brauche. Der Kontrast zwischen den beiden Berufen ist enorm: An der Hochschule bin ich eine Lehrende, vermittele Grundlagen, gebe Feedback, Inspiration, bin manchmal Coach, Motivator oder Projektmanagerin. Ich denke mit dem Kopf, statt mit den Händen.

Bei Fizbin nennen mich alle „Motti“, der Umgang ist frei Schnauze und ich mache das, was der Projektplan braucht. Ich gebe meinem Bauchgefühl Raum, kreative Entscheidungen zu lösen. Das lässt mich gewissermaßen immer wieder zwischen den Rollen springen. Dieser kleine Balanceakt ist neben der Lehre möglich und manchmal etwas anstrengend, aber er ist es absolut wert und ich liebe die Abwechslung, die hält mich wach. 

Abgesehen davon finde ich es an einer angewandten Hochschule enorm wichtig, dass die Lehrenden praxisnah bleiben. Zusätzlich bin ich noch an einer Reihe anderer Baustellen beteiligt, gebe Workshops, springe auf Konferenzen rum und arbeite auch an kleinen eigenen Projekten.

Games-Career.com: Gibt es Computer- und Videospiele, die unbedingt auf den Lehrplan deiner Studenten/innen gehören?

Mareike Ottrand: Wir zeigen uns gegenseitig Spiele und reden darüber, das mag ich sehr. Ich lerne viel von meinen Studierenden und bin froh, dass die viel Input in den Unterricht bringen. Gerade beschäftige ich mich viel mit non-linearer Narration, deshalb beeinflusst dies den Unterricht automatisch. Choose your own Adventure Bücher, interaktive Textadventures, Spiele von Heavy Rain bis Oxenfree. Es gibt keine Liste, aber ein paar Titel, die ich gerne zeige, je nach Kursinhalt. Gerne wage ich auch den Blick in andere Medien, in meinem Kurs „Character Design“ schauen wir uns beispielweise viel französische Animationsfilme an, die Figuren dort sind manchmal etwas mutiger als die, die man in digitalen Spielen findet. Was auch immer mich gerade fasziniert bringe ich ein, vielleicht schaffe ich es bald das Spiel „Inside“ von Playdead in eine Stunde zu integrieren, ein fantastischer Titel.

Games-Career.com: Wenn du nicht in der Games-Branche arbeiten würdest, womit würdest du dein täglich Brot verdienen?

Mareike Ottrand: Nicht sehr überraschend, wahrscheinlich in einem anderen visuell gestalterischen Bereich, in der Buchillustration oder beim Animationsfilm. Medien im Raum finde ich auch sehr spannend. Seitdem meine Mama mich letztens im Fernsehen gesehen hat, wartet sie darauf, dass ich Bundeskanzlerin werde. Ich wäre eine furchtbare Bundeskanzlerin, also widme ich mich lieber dem Spielemachen.

Games-Career.com: Was ist das größte Problem, dass die Branche derzeit zu lösen hat? 

Mareike Ottrand: Diese hitzige Sexismus Diskussion würde ich auch gerne überwunden sehen, ich vermisse Entspanntheit, Respekt und Toleranz. Desweiteren würde ich mir wünschen, dass deutsche Projekte wieder etwas mutiger werden, mehr noch eigene Ideen verfolgen und Standpunkte einnehmen. 

Games-Career.com: Last Words?

Mareike Ottrand: Play fair. 

Herzlichen Dank an Mareike für das Interview!