In unserer Blogreihe „Köpfe der Spielebranche“, haben wir bereits viele interessante Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen des Gamesbusiness kennengelernt. Auch unser nächster Kandidat kann bereits auf eine langjährige Karriere in der Spieleindustrie zurückblicken. Als Entwickler gründete Michael Schade 2004 die Fishlabs Entertainment GmbH. Nach finanziellen Problemen und der Übernahme durch Vermarkter Koch Media, meldete er sich 2015 gemeinsam mit seinem langjährigen Geschäftspartner und bestem Freund Christian Lohr zurück. Ihrem Motto treu geblieben, entwickeln sie heute in dem Hamburger Indie-Studio ROCKFISH Games hochqualitative 3D-Videospiele für PC und Konsole im SciFi-Genre. Im Interview spricht Michael über die Anfänge von ROCKFISH Games, den Erfolg von Crowdfunding-Kampagnen und wieso er fast bei BMW in der Motorenentwicklung gelandet wäre.
Du bist seit über 20 Jahren in der Games-Branche tätig. Was fasziniert dich bis heute an der Branche?
Michael Schade: Als leidenschaftlicher Gamer seit über 35 Jahren, liegt für mich die Faszination von Games darin, dass man in fremde Welten eintauchen und dort als Spieler die verschiedensten Rollen annehmen kann. Das funktionierte schon damals bei Space Invaders, Defender, Asteroids oder Donkey Kong. Was aus heutiger Sicht an Grafik- und Soundqualittät fehlte, wurde durch die eigene Fantasie wettgemacht. Als Entwickler besteht der enorme Reiz darin, dass man sich in intensiver Teamarbeit wirklich alles selbst ausdenken und kreieren muss. Man ist Autor, Dramaturg, Grafikartist, Objektdesigner, Komponist, Bühnenbauer, Architekt, Kameramann, Beleuchter, Regisseur und vieles mehr. Games sind für mich daher das mit Abstand anspruchsvollste Kreativmedium. Doch sie vereinen nicht nur alle anderen Medien wie Text, Bild, Ton, Theater und Film. Durch die Spielerinteraktion und damit das Gameplay, wird das Medium Games um eine schier unendliche Dimension sogar noch erweitert. Jeder Spieldurchlauf, eines jeden Spielers ist einzigartig. Allein das macht Spiele so besonders.
Mit Fishlabs hast du mit deinem Geschäftspartner Christian Lohr ein erfolgreiches Mobile-Games-Studio in Hamburg aufgebaut. Trotz Hittiteln wie Galaxy On Fire konntet ihr 2013 die Insolvenz nicht abwenden. Was waren die Gründe dafür?
Michael Schade: Der große Umbruch von P2P zu F2P im AppStore hatte sich ja bereits 2011 abgezeichnet. Dennoch konnten wir das Studio nicht schnell genug auf das neue Geschäftsmodell umstellen, was verschiedene Gründe hatte. Die Hauptursache lag vermutlich darin, dass weder Christian noch ich uns für F2P-Spiele und dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell nachhaltig begeistern konnten und große Teile unseres Team es geradezu verabscheuten. So mussten wir ein zweites Team für F2P aufbauen, das wir jedoch nicht ausreichend kompetent führen konnten.
Anstatt zweigleisig zu fahren und damit unser Finanzpolster aus unseren guten Jahren 2009 bis 2011 zu schnell abzubauen, hätten wir entweder das GOF-Team entlassen müssen – was für uns zu keinem Zeitpunkt eine Option war – oder aber gleich auf PC und Konsolen umschwenken sollen, wo P2P noch funktioniert. Das war mit unseren Investoren jedoch nicht zu machen, die uns schon 2008 im Nacken saßen, F2P-Spiele für Mobiltelefone zu machen. Sie waren jedoch nie bereit, das Studio für so einen radikalen Wandel mit ausreichend Kapital auszustatten.
Leider führten sämtliche Gespräche mit neuen Investoren und potentiellen Käufern zu keinem Abschluss, da eine Kombination aus unrealistischer Kaufpreisvorstellung und unverhältnismäßiger Mehrheitsbeteiligung der Altinvestoren jeglichen potentiellen Deal zu Nichte machte. Umso unwahrscheinlicher war es, einen Investor oder Käufer für ein Studio zu finden, das in 2013 dringend Kapital benötigte und sehenden Auges der Altinvestoren in die Insolvenz lief.
Wir haben uns dann für die Insolvenz in Eigenverwaltung entschieden, die es uns ermöglichte, immerhin drei Monate bei vollen Bezügen und zwei Monate mit leicht reduzierter Mannschaft und etwas geringeren Bezügen weiter zu arbeiten, um unter besseren Voraussetzungen einen neuen Investor oder Käufer zu finden. Dass Christian und ich am Ende durch eine feindliche Übernahme von Koch Media unser eigenes Studio verlassen mussten und dabei keinen einzigen Euro erhielten, hatten wir uns natürlich nicht einmal in unseren schlimmsten Träumen vorstellen können. Immerhin wurden alle verbliebenen 52 Mitarbeiter übernommen und das Studio konnte fortgeführt werden.
Seit Eurem Ausscheiden sind drei Jahre vergangen. Wie hat sich der Markt für Mobile-Games in deinen Augen seitdem entwickelt?
Michael Schade: Bereits 2013 wurden die Charts der umsatzstärksten Mobile Games von einigen wenigen Playern wie Supercell, King, MachineZone und EA dominiert. Seitdem hat sich in den Top 25 der Charts kaum mehr etwas verändert. Zwar haben es einige deutsche Studios wie Flaregames, Goodgame, Wooga oder Xyrality geschafft, zumindest einen Titel erfolgreich am Markt zu etablieren, aber ein weiterer Hit war eher die Ausnahme. Auch mit der The Room Serie, Monument Valley oder Ridiculous Fishing gab es durchaus erfolgreiche P2P-Spiele von Indies. Aber diese waren auch eher Ausnahmen, was ich während meiner Juryarbeit bei den renommierten IMGAwards in 2014 mit großem Bedauern feststellen musste. Auf ein kommerziell erfolgreiches Spiel kamen gefühlt 100 wirklich tolle Spiele, wovon die Entwickler mit großer Wahrscheinlichkeit nicht leben konnten. Seitdem ging die Schere noch weiter auseinander, weil die wenigen Top Publisher so viel Geld verdienen, dass sie alle wertvollen Werbeplätze selbst, zu absurd hohen Preisen aufkaufen, sodass es für kleine bis mittelgroße Teams kaum mehr Aussicht auf Erfolg gibt.
2015 habt ihr den Neuanfang mit Rockfish Games gewagt und spezialisiert euch auf PC und Konsolen-Games. Wie schwierig war es vor eurem Mobile-Background, Geldgeber und Geschäftspartner von eurem neuen Unternehmen zu überzeugen?
Michael Schade: Aus heutiger Sicht sind wir sehr froh, dass wir am Ende mit der Insolvenz aus unserem eigenen Studio gedrängt wurden und zum Neuanfang gezwungen waren. Bis heute können wir es kaum fassen, dass es uns damals ohne Team, ohne Studio und ohne Startkapital gelang, einen großen Deal für ein Konsolenspiel mit einem der Top Publisher an Land zu ziehen.
Die genauen Gründe dafür, uns einen mehrere Millionen schweren Entwicklungsauftrag unter diesen Umständen zu geben, kennen wir natürlich nicht. Zwischen den Zeilen haben wir jedoch vernommen, dass insbesondere unsere außergewöhnlich gute Geschäftsbeziehung mit Apple und die vielen globalen Top Features im AppStore sowie die weltweit herausragend positiven Bewertungen für Galaxy on Fire 1&2 ausschlaggebend waren. Anscheinend konnten wir dann während der dreimonatigen Vertragsverhandlung und Konzeptionsphase für das neue Konsolenspiel unseren Auftraggeber sowohl von unseren Managementfähigkeiten als auch auf kreativer Ebene voll überzeugen.
Dass dann wieder alles ganz anders als erwartet kommen sollte und das Projekt von heute auf morgen und ohne weitere Bezahlung eingestellt wurde, war letztlich auch wieder eine positive Fügung des Schicksals. So waren wir gezwungen, wieder ein neues Spiel anzufangen, wobei wir uns aus Budgetgründen auf wenige Kernelemente beschränken mussten. So entstand die Idee, einen vergleichsweise kostengünstigen Roguelike 3D Space Shooter zu entwickeln und diesen in einer außergewöhnlich hohen audiovisuellen Qualität zu inszenieren.
Die Entwicklung des Prototypen finanzierten wir vorerst mit dem überschaubaren Gewinn aus dem gecancelten Konsolenspiel bei gleichzeitig maximaler Kostenreduktion. Da wir von den Erfahrungen aus dem voherigen Projekt extrem profitieren konnten, machten wir sehr schnell Fortschritte und konnten bereits nach drei Monaten Entwicklungszeit einen eindrucksvollen Prototypen vorweisen.
Obwohl dieser bei vielen Publishern gut ankam, konnten wir dennoch keinen Deal closen. Space Games wären zu nieschig und bereits überlaufen aufgrund von Elite:Dangerous, No Man’s Sky und Star Citizen. Wir beschlossen, den Gegenbeweis mit einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne anzutreten.
Euer Debut „Everspace“ hat auf Kickstarter mit einer Finanzierungssumme von 420.252 EUR so viel Geld eingesammelt wie kein anderes deutsches Spiel. Wird Kickstarter somit auch das Finanzierungsmodell der Wahl für euer nächstes Projekt werden?
Michael Schade: Die Kickstarter-Kampagne war natürlich ein Riesenerfolg für uns und wir sind unseren Unterstützern unendlich dankbar. Ohne sie wären wir jetzt nicht finanziell und gleichzeitig auch inhaltlich unabhängig. Dennoch bedeutet so eine Kickstarter-Kampagne enorm viel Arbeit in der Vorbereitung, während der Durchführung, aber auch danach. Diese Arbeitszeit geht zu einem großen Teil nicht in die Entwicklung des Spiels und man ist auch weniger frei bei Designentscheidungen sowie in der späteren Vermarktung. Insofern hängt es zu einem großen Teil davon ab, wie gut Everspace sich verkauft oder ob wir den nächsten Titel vielleicht mit einem Publisher zusammen entwickeln.
Können junge Indie-Entwickler ohne Track-Record deiner Meinung nach heute über Kickstarter noch erfolgreich ein Spieleprojekt funden oder generieren nur noch AAA-Projekte genügend Aufmerksamkeit?
Michael Schade: Mooneye Studios hat mit Lost Ember eindrucksvoll bewiesen, dass auch junge Indies ohne Track Record auf Kickstarter sehr erfolgreich sein können, wenn sie mit einem großartigen Gameplay Trailer im Vorwege ausreichend Aufmerksamkeit generieren und ihre Vision eines außergewöhnlichen Spiels in der Kampagne klar und ansprechend kommunizieren. Ähnlich wie uns, ist es auch ihnen vor und während der Kampagne gelungen, damit die Games-Presse sowie Millionen von Gamern auf reddit, imgur und 9gag für ihr Projekt zu begeistern.
Was zockst du im Moment?
Michael Schade: Shadow of Mordor, Witcher 3, Fallout 4, Halo 5 oder Gears of War 4 schaffen es, mich über zig Stunden hinweg mit ihren fantastischen Inszenierungen und ausgefeilten Spielmechaniken zu fesseln und alles um mich herum vergessen zu lassen. Aber auch hochwertige Indie Games wie z.B. The Flame In The Flood, Inside und Firewatch haben mir sehr gefallen. Gerade in diesem Segment wünsche ich mir noch viele weitere Titel und freue mich daher schon auf Lost Ember von unseren Hamburger Nachbarn Mooneye Studios.
Wenn du nicht in der Games-Branche arbeiten würdest, womit würdest du dein täglich Brot verdienen?
Michael Schade: Wäre ich nicht während meines Maschinenbaustudiums an der TUHH durch CAD an sündhaft teure Silicon Graphics Workstations mit dem 3D-Computergrafikvirus infiziert worden, wäre ich wohl Ingenieur geworden und würde heute bei BMW Motoren entwickeln. Es hätte alles aber auch ganz anders kommen können. Jedenfalls fröne ich dieser zweiten Leidenschaft mit meinem BMW 635 CSi, Baujahr ’86, wenn ich bei Sonnenschein durch die schönste Stadt der Welt cruise und denke mir dann mit einem Grinsen, es könnte wahrlich schlimmer sein.
Vielen Dank an Michael für die Einblicke. Wir wünschen ihm und seinem Team für 2017 alles Gute und freuen uns schon auf neue Titel aus dem Hause ROCKFISH Games!