Demnächst dürfen sich die Besucher vom Computerspielemuseum auf eine Ausstellung der besonderen Art freuen. In der Sonderausstellung „Modell-Welten – Gemälde von Matthias A. K. Zimmermann“ präsentiert der Schweizer Künstler seine eigene Reflektion der Welt der Computerspiele. Seine Gemälde sind dabei eine Mischung aus Retro und Moderne, die den Betrachter durch die Zeit der Computerspiele reisen lässt. Im Interview erzählt er uns was an Computerspielen so besonders ist, was Super Mario Bros. (1985, NES) damit zu tun hat und wie er den Zusammenhang zwischen Kunst und Computerspiele versteht.
Hallo Matthias. Deine Ausstellung „Modell-Welten“ wird vom 22. Mai bis zum 8. Juli im Computerspielemuseum Berlin stattfinden. Vielleicht wäre es für die Leser interessant zu wissen, was du beruflich machst und seit wann du dich mit dem Thema Computerspiele & Kunst auseinander setzt?
Matthias: Hallo Gökhan. Ich bin zu einer, hinsichtlich der Entwicklung von Computerspielen, interessanten Zeit geboren, nämlich 1981. In den folgenden Jahren kamen Computer und TV-Konsolen für den Heimgebrauch in Mode und die Computerspiel-Entwicklung machte große Fortschritte. Als Technik- und Videospiele interessiertes Kind habe ich diese rasante Entwicklung hautnah miterlebt und bin gewissermaßen damit aufgewachsen. In jungen Jahren nimmt man Vieles intensiver war, und somit war die Grafik-Entwicklung der Computerspiele eine sehr intensive Angelegenheit für mich. Als ich in den Kindergarten ging, konnte ich am Computer der damals noch so groß wie ein kleiner Kühlschrank war, Games aus einfachen Strichen und Punkten in CGA-Grafik spielen. Dann folgten bessere Monitore in EGA-, VGA- und Super-VGA-Grafik; parallel dazu hat sich auch die Soundqualität massiv verbessert. So kam es, dass ich mir etwa zum Geburtstag leistungsfähige Soundboxen gewünschte habe. Zu Weihnachten hatte ich mir sogar eine zweite Festplatte gewünscht.
Das Thema Computerspiele war ständig präsent. Die Grafik-Entwicklung von Videospielen hat sich wohl in meinem ästhetischen Empfinden festgesetzt und ist heute noch in meinen Bildern spürbar, in denen sich Elemente aus der Fotographie, 3D-Modelling und einem gewissen retro-anmutenden Stil finden lassen. Später folgte eine Zeit wo ich mich intensiv mit dem Schreiben von Musik beschäftigt habe, insbesondere das Schreiben von sinfonischer Musik. Aus diesem Prozess entwickelte sich eine Bildsprache, der ich mit Farbe auf Leinwand Ausdruck gab. Es folgten Jahre in denen ich mit Pinsel und Airbrush großformatige Bilder erfand. So gesehen gehört die Beschäftigung mit Computerspielen zu meinen frühesten Tätigkeiten, die Beschäftigung mit der Kunst folgte erst viel später. Heute bin ich Teilzeit als Dozent an einer gewerblichen Designschule tätig und sporadisch an Hochschulen.
Gibt es Spiele, die dich in deiner Kunst besonders inspiriert haben oder auch vielleicht heute noch inspirieren?
Matthias: Inspiration fand ich in Computerspielen die sich mit dem Mittelalter beschäftigen und in denen Burgen zu sehen sind. Hier muss auch Super Mario Bros. (1985) erwähnt werden, obschon die Burg dort lediglich als Portal fungiert und nicht an die Thematik vom Mittelalter anknüpft. Was mir an diesem aller-ersten Super Mario-Spiel so gefällt ist die Schlichtheit. Wie in einem Japanischen Garten sind diese «2D-Side-Scrolling-Levels» auf ein Minimum an notwendigen Elementen reduziert – ein abstraktes Farben- und Formenspiel.
Inspirierend finde ich als stilistisches Mittel die sogenannten «TV-Linien», die CGA- und EGA-Grafiken hatten oder die grün/schwarze monochrom leuchtende Farbgebung an Oszilloskopen, die sich aufgrund preiswerten Phosphors ergaben. Fasziniert bin ich aktuell von Independent-Spielen wie etwa «Journey» (2012), «Limbo» (2010) oder «Slender – The Eight Pages» (2012). Diese Spiele haben zu einer sehr ansprechenden Bildsprache und Spieldramaturgie gefunden.
Vor allem bin ich von «Katamari Damacy» (2004) begeisterst. Ich betrachte es als eine Umkehrung von «Sim City», ein Spiel aus dem Genre «Wirtschafssimulationen» deren erster Teil 1997 erschienen war. In «Katamari Damacy» geht es nicht um eine zu bauende Stadt, resp. Welt, sondern um die Dekonstruktion einer fertigen Welt. Wie auch im realen Leben ist das Abbauen ein einfacherer Prozess als das Aufbauen. Mit «Katamari Damacy» wurde eine originelle Form des Dekonstruierens gefunden.
Bei deinen Werken fällt mir auf, dass nie Personen zu sehen sind. Ich dachte mir dabei, dass die virtuelle Welt im Endeffekt immer virtuell bleibt und der echte Mensch dort nichts verloren hat. Ist das so gewollt?
Matthias: Eine sehr interessante Frage, die mir bis jetzt noch niemand so gestellt hat. Dabei wäre sie doch so naheliegend, da man als Mensch in Bildern immer nach seinesgleichen sucht. Dein Ansatz ist sehr passend und richtig, doch meine Beweggründe Bilder ohne Menschen zu gestalten sind sehr viel einfacher. Meine Bildsprache lebt vom Größenverhältnis diverser Objekte. In mittelalterlicher Malerei wird dies «Bedeutungsperspektive» genannt.
So kann ich etwa einen Baum grösser darstellen als einen Wolkenkratzer und die zu sehende Landschaft wirkt wie ein homogener Baukasten. Sobald ich jedoch einen Mensch ins Bild verorte würde dies einen Maßstab bedeuten. Distanzen sind in meinen Bildern kaum abzuschätzen und ein Mensch würde ein Längenmass von ca. 1.75 m bedeuten. Dies würde die geometrische «Magie» von Raumvorstellung brechen.
Das Thema Kunst & Computerspiele ist ja eine Sache über die gerne diskutiert wird. Wurdest du schon mal damit konfrontiert, dass Kunst und Computerspiele nichts miteinander zu tun haben?
Matthias: Das Thema «Kunst & Computerspiele» scheint tatsächlich ein umfassender Diskurs in div. Fachgebieten zu sein. Ob Computerspiele sich als Kunst definieren lassen, hängt in erster Linie davon ab, wie man «Kunst» definiert. Unter dem handwerklichen Gesichtspunkt vom «Kunsthandwerk» (wie etwa in der Renaissance) muss meiner Meinung nach das Computerspiel als ein sehr anspruchsvolles «Gesamtkunstwerk» gewertet werden; denn in dieser Materie vereinen sich div. komplexe Gebiete wie Storytelling, Storyboard, dann Umsetzungsstrategien zu denen das Erschaffen des digitalen Spielraumes mit darin enthaltenen Figuren gehört, das Gameplay/Spielmechanik, Sound-Design, allfällige Filmsequenzen und natürlich die Programmierung, die wohl der anspruchsvollste Teil überhaupt ist.
Dann folgt am Schluss noch viel Feingefühl für Marketing-Strategien zur Präsentation und Vermarktung. Ich würde meinen, ein Spiel zu erschaffen braucht nicht nur sehr viel handwerkliches Geschick, sondern auch viel Fantasie. In Anbetracht dieser vielen Komponenten, die fehlerlos zusammenspielen müssen, kann man Computerspiele im Sinne eines «Gesamtkunstwerkes» und hinsichtlich von «Kunsthandwerk» als eine sehr hohe Kunst bezeichnen.
Kunst lässt sich aber auch als «Spiegel seiner Zeit» definieren. In diesem Fall wird Kunst als eine reflexive Materie verstanden, die diskursiv Geschehen hinterfragt und oft in mehrdeutigen Schlussfolgerungen mündet. Computerspiele unter diesem Aspekt betrachtet müssen in den allermeisten Fällen ausgeschlossen werden, da interaktiver Spielspass im Zentrum steht und künstlerische Fragen sich wenig bis gar nicht ergeben.
5. Game Design und Game Art ist ja irgendwo miteinander verknüpft. Kannst du dir vorstellen, dich in der Zukunft bspw. als Game Designer selbstständig zu machen?
Matthias: Als ehemaliger Game Design-Student konnte ich wertvolle Einblicke in dieses sehr anspruchsvolle und komplexe Gebiet erhalten. Und natürlich wäre die Entwicklung eines digitalen Spiels ein interessantes Ziel. Meine Bilder beschäftigen sich ja zentriert mit Fragen um virtuelle Raumrepräsentation und Weltenbau. Meine vielen Ideen wären eine geeignete Basis um meine künstlerischen Reflexionen zu interaktiven Spielwelten zu erweitern.
Die Betonung liegt hier natürlich auf dem «Erweitern», denn wie schon angedeutet, bedeutet ein digitales Spiel zu erschaffen mehrere komplexe Disziplinen zusammenzuführen, was ein Team von leidenschaftlichen Game- Entwickler bedingt, die Zeit und finanzielle Freiheit haben sich dieser Leidenschaft hin zugeben. Und genau dies ist eine nicht einfach zu überwindende Hürde. Vor allem in der Schweiz, wo man Game Design zwar auf staatlichem Wege studieren kann, es jedoch kaum Arbeitgeber und Unternehmen gibt, die so etwas fördern würden.
Worauf können wir uns als nächstes von dir freuen? Irgendwelche Pläne für die Zukunft?
Matthias: Ich versuche wenn immer möglich die Freude im Moment zu finden und ein nächster solcher Moment wird diese Sonderausstellung im Computerspielemuseum Berlin sein. In meinen Visionen sehe ich tatsächlich ein digitales Spiel mit sehr eigenen Charakterzügen aufleuchten. Gerne würde ich mit einem guten Kollegen den ich vom Game Design-Studium her kenne ein Spiel realisieren. Doch ist dies vorerst eine Vision.
Matthias, danke für das interessante Interview. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Ausstellung und bin schon gespannt was als nächstes von dir kommt.
Weitere Links
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Matthias Zimmermann – Homepage