Seit mehr als 10 Jahren ist Nicole Lange erfolgreich in der Games-Branche aktiv. Nach diversen Stationen als Journalistin ist sie heute “Produktmanagerin Esport“ beim Sportmagazin kicker. In unserem Interview berichtet sie über ihren Werdegang, die Esport-Szene in Deutschland und den Berufseinstieg für Frauen in unserer Industrie.
Games-Career.com: Nicole, seit vielen Jahren beschäftigst du dich als Journalistin mit Esport. Was war zuerst da – deine Liebe zum Journalismus oder deine Leidenschaft für Games und Esport?
Nicole Lange: Tatsächlich war es erst die Leidenschaft für Games. Aber ich wusste schon relativ schnell, dass ich in der Games-Branche arbeiten will. Als Quereinsteigerin habe ich dann mein Volontariat gemacht und bin Journalistin geworden. Erst für Gaming allgemein, danach kam die Spezialisierung auf den Esport.
Games-Career.com: Wie würdest du deinen Karriereweg in wenigen Worten beschreiben?
Nicole Lange: Ambitioniert und mit viel Arbeit sowie Wille verbunden, aber am Ende habe ich das, was ich erreichen wollte: einen Job, der mir unheimlich viel Spaß macht.
Games-Career.com: Seit einem Jahr bist du nun im Produktmanagement bei kicker für die Rubrik Esport. Dort stehen klassische Sportspiele wie FIFA im Mittelpunkt. LoL, CS:GO, Dota 2 & Co. sucht man hingegen vergebens, wenngleich sie die Esport-Szene dominieren. Warum diese Fokussierung?
Nicole Lange: Vergebens würde ich nicht sagen, wir berichten auch über LoL, Valorant oder iRacing, aber der Fokus Sportspiele kam aus einer klaren Idee. Ich sehe viele Seiten oder Medienhäuser, die gleich am Anfang alles abdecken wollen, das braucht aber eine gute Grundlage und viel Zeit. Viele übernehmen sich damit. Für uns war es wichtig, die Esport-Sektion nachhaltig aufzubauen und da wir nun mal kicker sind, lag der Fußball natürlich als erstes bei uns an der Tagesordnung. Keiner hatte den eFootball damals so richtig auf dem Schirm, wir haben den Sport aber von Anfang an ernst genommen und sind das wie im traditionellen Fußball angegangen. Das war eine Marktlücke, die wir mit gutem Journalismus gefüllt haben und im Nachhinein war das die richtige Entscheidung.
Games-Career.com: Wo steht die deutsche Esport-Szene im internationalen Vergleich?
Nicole Lange: In Deutschland ist man auf dem richtigen Weg, aber international betrachtet noch ein kleines Licht. Obwohl so viele Vereine und Verbände dabei sind, fehlt es an einer einheitlichen Linie und Strukturen. Auch im Amateurbereich muss noch einiges passieren, hier wird ebenfalls eine einheitliche Ausrichtung benötigt. Außerdem sind die Vereine noch sehr stark auf sich allein gestellt. Auch, was die Ausbildung im Esport betrifft, ist noch Luft nach oben, hier ist es nicht mit einer Ausbildung zum Mediengestalter getan.
In Deutschland hält man sich noch sehr stark mit Begrifflichkeiten auf. Was ist Sport und warum? Das steht der Sache an sich im Weg, denn für Motorsport braucht man auch ein Auto, dennoch steckt das Wort Sport drin. Ist ein Fußballer weniger Sportler als ein Marathonläufer, nur weil er vermeintlich mehr körperliche Aktivität hat und mehr verbrennt? Eine staatliche Förderung wäre zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer in der Branche zu koordinieren, da die Strukturen auf dieser Ebene noch nicht komplett und länderübergreifend gebildet sind.
Games-Career.com: Die klassische Games-Branche sowie die Esport-Szene werden nach wie vor von Männern dominiert. Hat das deinen Berufseinstieg beeinflusst oder erschwert?
Nicole Lange: Beeinflusst nicht, ich habe das damals, als ich angefangen habe, nicht wirklich wahrgenommen, um ehrlich zu sein. Es ist aber früher manchmal nicht einfach gewesen, da man als Frau hin und wieder extra beweisen musste, dass man von seiner Sache auch was versteht. Ich saß in Runden, wo man nur auf das hörte, was mein Kollege sagte und ich fast außen vorgelassen wurde. Aber es gab auch sehr viele Kollegen, die mich auf meinem Arbeitsweg gestärkt und unterstützt haben, weil sie ohne Vorurteile auf meine Expertise geachtet haben und auf die Tatsache, dass ich weiß, wovon ich spreche.
Games-Career.com: Haben Frauen in der Spielebranche dieselben Chancen für einen beruflichen Aufstieg wie männliche Kollegen? Und verhält es sich im Esport ähnlich oder siehst du Unterschiede?
Nicole Lange: Im Detail muss man Unterschiede bei den Jobs machen. Übergreifend gesprochen kann man sagen: mittlerweile schon. Ich glaube, ich bin dafür auch ein gutes Beispiel. Ich hätte bei namhaften Verlagen Chefredakteurin werden oder auch in anderen Berufszweigen aufsteigen können, jetzt bin ich Produktmanagerin, aber man muss hart arbeiten. Das Geschäft ist umkämpft: Viele wollen Influencer werden oder vor der Kamera was machen. Kaum einer geht mit dem Willen raus, „Ich möchte Games-Journalist werden“ und überlegt, dass das auch harte Arbeit und eine gute Ausbildung erfordert.
Die Qualitätsansprüche sind hoch und bei Frauen sind sie sogar noch etwas höher, aber wenn man diese Hürde nimmt, hat man als Frau auch einige Vorteile, da eben viele gerne mehr Frauen in diesen Positionen sehen wollen, aber es kommt noch nicht so viel nach. Die Chancen sind da, man muss sie sich in der Branche aber immer noch als Frau erarbeiten – im Gaming wie im Esport.
Games-Career.com: Der Frauenanteil in der Games-Branche ist in den letzten Jahren spürbar gestiegen. Was muss geschehen, um noch mehr Frauen für eine Karriere mit Games zu begeistern?
Nicole Lange: Ich glaube, in erster Linie muss man erstmal für sich entscheiden, was man in der Games-Branche machen will. Aber die Branche muss noch einiges tun, ich habe damals viele Praktika gemacht und in der Branche eine Menge in QA und später dann in der Redaktion gearbeitet. Die Ausbildungsangebote fehlen. Wer Esport-Journalist werden will, muss lange suchen, hier muss die Branche bessere Angebote liefern, um den Leuten den Zugang zu erleichtern. Wir haben seit einigen Jahren Esport-Journalisten ausgebildet und das muss die Branche auch tun, keine Volo-Stellen anbieten und einfach nur daraus billige Arbeitskraft zu ziehen. Es müssen seröse und stabile Ausbildungsplätze sein, denn dann können wir auch davon profitieren, die Branche ist abhängig von einem guten Nachwuchs.
Games-Career.com: Was schätzt du an der Games-Branche und Esport-Szene besonders und was nervt dich?
Nicole Lange: Fluch und Segen zugleich ist der lockere Umgang in der Branche. Das geht manchmal zu Lasten der Organisation und Struktur. Ich finde es aber auch super, dass wir ein offenes Weltbild haben mit einer Community, die vor allem im Esport so offen und umgänglich ist, wie ich es in kaum einem anderen Sport gesehen habe. Da kann sich der traditionelle Sport teilweise noch was abschauen.
Games-Career.com: Was fehlt uns in Deutschland, um junge Esportler – weiblich wie männlich – an die Weltspitze zu führen?
Nicole Lange: Strukturen und gute Ausbildungsmöglichkeiten. Man muss als Elternteil auch ein gutes Gefühl dabei haben, seine Tochter oder seinen Sohn in dieses Umfeld zu geben. Es gab auch schlechte Beispiele, wo die jungen Esportler von der Community regelrecht zerfleischt wurden und niemand konnte sie schützen. Manche Karrieren wurden bitter live im Stream zerstört – manchmal sogar durch den Esportler selbst. Jugendarbeit wird immer wichtiger im Esport. Das kann man mittlerweile analog zum Fußball sehen. Junge Talente müssen gefördert und in einem stabilen Umfeld aufwachsen. Hier muss man in Deutschland noch den richtigen Weg finden. Gleiches gilt für die Trainingszentren. Wir haben schon gute Aushängeschilder im Esport. Was fehlt, ist ein nachhaltiger Aufbau, der nicht nur ein Jahr anhält.
Games-Career.com: Dein Tipp: Mit welchem Game sollten wir uns die Winterzeit versüßen?
Nicole Lange: Ein nettes Spiel für zwei ist It Takes Two. Wer lieber allein zockt und es etwas actionreicher mag, Resident Evil: Village und für die Fußballfans: Football Manager 2022.
Games-Career.com: Wir danken Dir für deine Einblicke und das umfangreiche Interview, liebe Nicole!