Vorurteile gibt es leider überall – auch im Bewerbungsverfahren, deshalb setzt sich Isabel Frankenberg In ihrem Gastbeitrag mit den Vor- und Nachteilen der anonymen Bewerbung in Deutschland auseinander. Sie studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin und arbeitet zur Zeit als freie Journalistin für verschiedene Verbände, wie zum Beispiel die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V., die www.hartz4hilfthartz4.de betreibt, ein Ratgeberportal für Arbeitslose. Schwerpunkte ihrer Artikel sind Themen des Sozial-, Verkehrs- und Strafrechts.
Wie fast jeder, hattest sicher auch du schon einmal mit Vorurteilen zu tun und wurdest nach deiner Optik, deiner Herkunft, deinem Geschlecht oder deiner Religion beurteilt. Ebenso hast auch Du bestimmt schon einmal eine Person kurzzeitig aufgrund oberflächlicher Informationen bewertet. Diese Form von Ressentiments sind häufig leider auch bei der Auswahl von Berufsbewerbern festzustellen – laut einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit, haben Bewerber mit einem türkischen Nachnamen eine 14-prozentig geringere Chance auf ein Vorstellungsgespräch als ihre Mitbewerber mit deutschem Nachnamen.
Abhilfe schaffen kann hierbei eine anonymisierte Bewerbung – doch nicht in jeder Situation ist sie angebracht…
Die anonyme Bewerbung zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch weder der Bewerbungsfotos wegen, noch aufgrund von Angaben zur Herkunft oder Religion erfolgt. Lediglich Qualifikationen und Lebenslauf sind für den Erfolg einer Bewerbung ausschlaggebend. Folgende Angaben entfallen bei einer anonymen Bewerbung bis zum Vorstellungsgespräch daher völlig: Name, Adresse, Geschlecht, Geburtsdatum, Familienstand und Herkunft – auch ein Bewerbungsfoto wird nicht mitgeschickt.
Offengelegt werden müssen hingegen, wie in einem normalen Bewerbungsschreiben, alle Qualifikationsangaben – also deine Schulbildung sowie deine Berufsabschlüsse. Alle weiteren persönlichen Angaben erhält der Arbeitgeber aber erst, wenn er dich zu einem Gespräch einlädt, sprich dich persönlich kennenlernt.
Die Vorteile einer anonymen Bewerbung liegen also auf der Hand – ein Arbeitgeber, der sich in anderen Fällen vielleicht von persönlichen, aber für die Position irrelevanten Angaben beeinflussen lässt, kann lediglich aufgrund deiner Qualifikationen entscheiden, ob du im Bewerbungsverfahren eine Runde weiterkommst, oder nicht.
Doch bietet die anonyme Bewerbung auch Nachteile. So kann sie zum Beispiel die Chance auf einen Job verringern, wenn du noch am Anfang deiner Karriere stehst und wenig Berufserfahrung mitbringst. In diesem Fall ist es ratsam, weitere Angaben zu machen, die den Arbeitgeber von deinen persönlichen Stärken sowie deinem Charakter und deinen Interessen überzeugen können.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten sich anonym zu bewerben:
Vom Unternehmen selbst bereitgestellte Online-Bewerbungsverfahren, oder Berwerbungen auf klassischem Wege, wobei vor Durchsicht durch den Arbeitgeber, alle persönlichen Informationen geschwärzt werden – die sogenannte „nachträgliche Anonymisierung“.
Eine dritte Möglichkeit bieten anonymisierte Bewerbungsbögen, die ebenfalls vom Unternehmen selbst zum Ausdrucken und Ausfüllen bereitgestellt werden um dann an den potenziellen Arbeitgeber zurückgeschickt zu werden.
Initiiert wurde die Einführung des anonymen Bewerbungsverfahrens durch ein Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2010. 12 Monate lang wurde das Verfahren in verschiedenen Firmen, wie L’Oréal, Mydays oder der deutschen Telekom getestet. Hierbei gingen rund 8.500 Bewerbungen ein und 246 Stellen wurden belegt. Ziel des Projektes: Der Versuch Diskriminierung in Deutschland zu verringern und Gleichberechtigung zu fördern.
Weitere Informationen sowie ein Muster zum Thema „anonyme Bewerbung in Deutschland“ findest Du hier. Zudem bietet das kostenlose Ratgeberportal www.hartz4hilfthartz4.de viele weitere Informationen und eBooks zu Themen, wie Hartz4-Finanzen, Wohnung & Miete sowie Job & Bewerbung.
Hallo Isabel,
vielen herzlichen Dank für den spannenden und informativen Beitrag. Ich selber bin der Meinung, dass eine anonyme Bewerbung durchaus sinnvoll sein kann, allerdings finde ich ebenfalls, dass es immer auf die sich zu bewerbende Position ankommt. Ich interessiere mich sehr für Sozialrecht und bin so auf deinen Artikel gestoßen.