Gastbeitrag von Sabine Hahn: „Moving Beyond Stereotypes“ – Wie vielfältig ist die Spieleindustrie wirklich?

26.04.2016
Portrait Sabine Hahn

Sabine Hahn, Dozentin an der Universität Köln und der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln

Heute freuen wir uns erneut über einen Gastbeitrag von Sabine Hahn, Dozentin an der Universität Köln und der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Gemeinsam mit Gesprächspartnern aus der Games- und Tech-Branche hat der Business Coach für Führungskräfte auf der Quo Vadis Entwicklerkonfenz 2016 in Berlin über das Thema „Workforce Diversity“ diskutiert und verschiedene Faktoren wie Geschlecht, kultureller Hintergrund oder Alter sowie den Status quo in der Spieleindustrie unter die Lupe genommen. Wie vielfältig die Spielbranche für Sabine ist und welche weiteren Erkenntnisse das Panel hervorbrachte, berichtet Sabine in ihrem Gastartikel.

Mitte April hatte ich die Ehre, anlässlich der Quo Vadis Entwicklerkonferenz im Rahmen der International Games Week Berlin ein Panel zum Thema „Moving beyond stereotypes – how diverse is today’s games industry?“ zu leiten. Besonders erfreut war ich über diese Möglichkeit meinem persönlichen Leidenschaftsthema (wieder) Gehör zu verschaffen, weil ich bereits während der Quo Vadis 2015 zusammen mit Kate Edwards (IGDA) und Ruth Lemmen (Booster Space) über Diversität in der Games Industrie diskutiert hatte. Diesmal wollte ich zusammen mit Kate Edwards (Executive Director des IGDA), Eric Jannot (Creative Director Waza! UG), Alexander Pieper (Technical Director & Co-Founder Studio Fizbin) und Tobias Kopka (Conference Program Director Aruba Events) Gedanken zum Thema austauschen.

QV2_2016

Sabine Hahn und Alexander Pieper (Studio Fizbin) auf der Quo Vadis 2016

Nach einem kurzen Impulsvortrag, in dem ich zunächst den Begriff „Diversität“ klären wollte – nämlich als das bewusste und aktive Einbeziehen von Individuen mit unterschiedlichem kulturellem, sozialem, ethnischem, religiösen usw. Hintergrund in eine Gruppe, Organisation oder auch Unternehmen – und dabei auf Studien wie z.B. McKinsey „Women Matter“ oder auch Catalyst (die 2004 nachweisen konnte, dass die erfolgreichsten „Fortune 500“ Firmen mehr Frauen im Top Management haben als die weniger erfolgreichen) verwies, wurde zunächst das stereotype Bild des durchschnittlichen „Game Worker“ als weiß, männlich, zwischen 20 und 35 Jahren und meist kinderlos (nach dem IGDA Developer Statisfaction Survey 2014) gezeichnet, bevor als Einstieg in die Diskussion die Frage aufgeworfen wurde, ob es im Hinblick auf Diversität in der Games Industrie eine Entwicklung zu verzeichnen gibt bzw. was sich in den letzten zwölf Monaten diesbezüglich getan hat.

 

„IF WE WANT TO HAVE (GAME) TITLES THAT REACH A DIVERSE AUDIENCE, OUR WORKFORCE HAS TO REFLECT THAT DIVERSITY.“

– Sheri Graner Ray –

 

Zunächst waren sich alle Teilnehmer des Panels darin einig, dass die Games Industrie gegenwärtig zumindest noch nicht die Diversität der Konsumenten wiederspiegelt, was sich auch in den Produkten zeigt. Kate Edwards vom IGDA sagte, so lange es in der Spieleindustrie nicht mehr als 20% Frauen gäbe im Vergleich zu rund 50% weiblicher Spieler, könne man noch nicht von Diversität sprechen. Sie vertritt den Standpunkt, dass die Spieleentwickler die Interessen der Konsumenten vertreten sollten und dass es dabei nicht nur um Diversität, sondern um Inklusion gehen sollte. Alexander Pieper vom Studio Fizbin kommentierte dies damit, dass er es leid sei, immer nur Geschichten über weiße Männer in Spielen zu sehen. In seinem Game Studio wird unterschiedlichen Gedanken und Perspektiven u.a. durch „inspirational talks“ Raum verschafft, einem wöchentlichen Meeting, bei dem alle Angestellten Gedanken und Ideen zu den Produkten einbringen können, egal ob sie im kreativen Prozess beteiligt sind oder nicht.

QV_2016

Sabine Hahn beim Panel „Moving beyond stereotypes – how diverse is today’s games industry?“

Eric Jannot merkte an, dass man den Identität-stiftenden Einfluss von Games nicht unterschätzen dürfe, da „Gamer“ aufgrund der hohen Immersion sehr intensiv mit den Produkten in Berührung kommen und von daher nach wie vor darüber gesprochen werden sollte, welche Leitbilder digitale Spiele vermitteln. Er forderte neben Wirtschaftsförderung für Spielehersteller auch Kulturförderung. Tobias Kopka als Programmdirektor für u.a. die Quo Vadis oder die Respawn unterstrich, wie schwierig es nach wie vor sei, weibliche Referenten zu gewinnen, laut seiner Erfahrung seien seit jeher rund 95% der Einreichungen von Beiträgen für Fachkonferenzen von Männern und von daher ähnelten die Programme der Veranstaltungen einer „wall of men“. Das Publikum merkte an, dass die fünf Diskutanten im Grunde auch nicht wirklich Diversität verkörperten, was jedoch von diesen als Bestätigung der mangelnden Vielfalt in der Branche interpretiert wurde.

Im Hinblick auf die Abschlussfrage, ob man sich zur Quo Vadis im nächsten Jahr immer noch über das Thema Diversity unterhalten werden müsse, waren sich sowohl die Redner als auch das Publikum einig. Laut Kate Edwards ist die Games Industrie gegenwärtig in einer Umbruchsphase, wobei sie hoffe, dass es irgendwann nicht mehr nötig sein wird, die Relevanz von Diversität und Inklusion zu diskutieren, sondern es einfach ein Standard wäre. Tobias Kopka verwies darauf, dass die Notwendigkeit Diversität und Inklusion zu thematisieren nicht nur in der Spieleindustrie bestünde, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Laut Eric Jannot hat die Diversity Debatte mit #GamerGate gerade erst begonnen. Alexander Pieper erzählte dem Publikum von einem Meeting, bei dem Angestellte eines Unternehmens alle ihre Hauptkompetenzen auf der Visitenkarte zugewiesen bekamen und eine junge, weibliche Kollegin sich mit „Sexiness“ schmückte. Solange solche Dinge in der Industrie akzeptiert seien, bestünde seiner Meinung nach mehr als Diskussionsbedarf.

 

„THOSE WHO CREATE THE GAMES SHOULD REFLECT THE ONES PLAYING THE
GAMES.“
– Kate Edwards –

 

Persönlich bin ich, ebenso wie die anderen Panel Teilnehmer, davon überzeugt, dass die bisher geführte Debatte um Vielfalt in der Spieleindustrie einerseits erst der Beginn ist, andererseits jedoch bislang durchaus schon positive Konsequenzen hatte und es mit Spannung, aber auch Vorfreude abzuwarten bleibt, inwiefern zukünftig nicht nur die Industrie, sondern im Zuge dessen auch die Spiele selbst vielfältiger werden.

Am nächsten Tag war ich übrigens auf der Womenize!, dem Action Day für Female Talents in der Tech Industrie, um eine Workshop-Session zum Thema Networking und Mentoring zu leiten, wo ich dann tatsächlich doch hoffnungsvolle Signale, nicht nur, aber auch aus der Games Industrie vernommen habe. Unternehmen wie Wooga oder Aeria Games sprachen über ihre Maßnahmen im Hinblick auf Diversität und welche Erfolge sie schon erzielt hatten.

About the author

Sabine Hahn
Sabine Hahn
Sabine Hahn hat zunächst in Leipzig Kulturwissenschaften, Soziologie und Journalistik studiert und war anschließend 10 Jahre in Sales & Marketing Positionen in verschiedenen Unternehmen der Games Industrie im In- und Ausland tätig; zuletzt bei Electronic Arts in Köln. Seit Ende 2013 promoviert sie an der Universität Köln am Institut für Medienkultur und Theater zum Thema „Gender in Games & Gaming“ und ist zusätzlich als externe Dozentin an unterschiedlichen Universitäten und Fachhochschulen tätig. Zudem ist Sabine als selbständige Trainerin Business Coach im Bereich Führungskräfte Entwicklung tätig. Mit ihrem Background aus Praxiserfahrung und akademischer Expertise beteiligt sich Sabine gern an Fachkonferenzen und Veranstaltungen der Games Branche, wie z.B. Quo Vadis, Respawn, Next Level, Deutscher Entwicklerpreis Summit oder Berlin Games Forum.

Ein Gedanke zu “Gastbeitrag von Sabine Hahn: „Moving Beyond Stereotypes“ – Wie vielfältig ist die Spieleindustrie wirklich?

  1. Pingback: In jeder Ziege steckt ein Weltraumaffe, der raus will. | weltraumaffen.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*