Liebe Leser, wir freuen uns sehr, euch einmal mehr einen Gastblog präsentieren zu dürfen, der euch einen ungefilterten Einblick in das Arbeiten in der Gamesbranche gibt:
Das ist die Geschichte von Tahsin Avci, der Gründung seiner eigenen Firma Pop Rocket Games und der Entwicklung und Veröffentlichung seines ersten Social Games „CopaSocca„.
Ohne zu viel verraten zu wollen, könnt ihr euch auf eine steinige, aber insprierende Reise durch die Wirren der Spielebranche einstellen. In den nächsten Wochen folgen weitere Teile, doch nun wollen wir ohne Umwege damit starten, womit alles beginnt – mit einer Idee…
Alles auf Anfang – Das erste Spielkonzept
Ich wollte schon lange selber Spiele entwickeln. 2010 hatte ich Facebook und mein iPhone bereits intensiv genutzt und verstanden, dass dort jeder frei und weltweit veröffentlichen kann, und zudem in vielen Berichten und Trend Reports gelesen, dass man dort mit ‚kostenlosen‚ und einfachen Games jede Menge Geld verdient. Das sah ich als meine Chance für den Einstieg und fühlte mich durch meine Agenturerfahrung und meine Kontakte in die Gamesbranche bestens gewappnet, um tolle Spiele zu produzieren.
Nach einigen Gesprächen mit meiner Frau, ob wir uns das Risiko ‚Selbständigkeit‘ mit 2 Kindern und jeder Menge Belastungen zumuten sollten, hatten wir uns glücklicherweise dafür entschieden. Ich war sehr froh ihre Unterstützung dazu zu erhalten!
Alles klar, Games machen wir!
Der Name Pop Rocket Games und die Ausrichtung Social Games waren recht schnell klar. Ich gewann sogar meinen alten Chef Bernd, Kreativgeschäftsführer meines alten Arbeitgebers als Partner dazu. Jetzt benötigten wir Konzepte, die interessant sind und aus unserer Sicht ‘ne Chance haben, Geld zu verdienen.
Ich spiele regelmäßig Fußball und liebe diesen Sport, aber mit der Bundesliga konnte ich dennoch nie etwas anfangen. Mich hat das selber spielen wesentlich mehr interessiert. Immer wenn ich im TV Fußball sehe, möchte ich sofort selber auf den Platz und so gut spielen können wie die Profis. Aber das kann ich leider nicht. Doch eine Fußballerkarriere hätte ich schon gerne erlebt! Und das war auch mein Ansatz zu meinem Spielkonzept, das ich damals noch ‚Player Manager PRO‚ getauft hatte.
Player Manager PRO sollte ein Spiel auf Facebook werden, bei dem man keine Mannschaft managed, sondern sich selbst als Spieler. Ein Rollenspiel bei dem man seine eigene Karriere vom Bolzplatz bis in die Champions League spielen kann. Ein typisches HTML-RPG im Fußball-Setting mit asynchronem Multiplayer. Den Namen änderte ich recht schnell auf ‚SoccerStar‚, das fand ich treffender. Als ‚SoccerStar‘ präsentierte ich das Spiel dann auf diversen Veranstaltungen. Ein paar Monate später aber kündigte sich Playa Games aber mit der gleichen Idee an: Kicker Star! Das war für mich ein kleiner Schock, denn auch deren Beschreibungstexte haben sich exakt wie meine gelesen. Das Spiel hieß zwar Kicker Star, aber im HTML-Header stand tatsächlich ‚Soccerstar‘, genau wie meins. Da war mir also jemand zuvorgekommen, ein echt doofes Gefühl. Aber egal, ich habe mich davon nicht abbringen lassen. Viele Menschen haben die exakt gleichen Ideen, aber fast jedem gelingt eine andere Ausführung. Man sollte sich davon nicht zwingend beirren lassen.
Wir haben uns dann mit meinem Partner Bernd einfach für einen anderen Namen entschieden, es sollte internationaler klingen und ein richtiger Eigenname werden: ‚CopaSocca‚. Wir arbeiteten auch schon an einem Designentwurf:
Gründungsschwierigkeiten
Der nächste Schritt war nun eine Firma zu gründen. Es bot sich dazu als Rechtsform eine UG (haftungsbeschränkt) an. Die UG bietet beschränkte Haftung, basiert auf dem GmbH-Gesetz und bedarf einer Einlage weit unter 25.000 EUR. Man kann eine UG mit sehr wenig Kapital gründen und über die hoffentlich nachfolgenden Gewinne dann nach und nach auf ein Stammkapital von 25.000 EUR ausbauen, um sie dann in eine vollwertige GmbH umzuwandeln. Die Umwandlung ist dabei bereits mit der Hälfte von 12.500 EUR möglich (birgt dann aber im vorzeitigen Insolvenzfall das Risiko, dass man persönlich für die noch fehlenden bzw. restlichen 12.500 EUR aufkommen muss).
Damit wir starten konnten, benötigte ich meinen Teil der Stammeinlage, ich hatte aber leider keine Rücklagen dazu. Daher bin ich zu meiner Hausbank gegangen, der Hamburger Sparkasse.
Ich habe mein Sparkassen-Konto während eines Banküberfalls eröffnet – als normaler Kunde, nicht als Bankräuber 🙂 ! Ich habe mein Dispo artig abbezahlt, wenn ich überziehen musste. Habe Versicherungen und Darlehen bei der HaSpa abgeschlossen, habe immer alles bezahlt. Ich hatte mir nix zu Schulden kommen lassen. Als ich aber dann für meine anstehende Gründung über einen Überbrückungskredit in Höhe von 10.000 EUR vorstellig wurde, hatte ich doch einen schweren Fehler gemacht:
Ich hatte gesagt wofür ich das Geld wirklich brauche!!
Tja, denn ist man erstmal selbständig leiht einem niemand mehr so einfach Geld wie in einem Angestelltenverhältnis! Erst recht nicht, wenn man digitale Produkte erzeugt, die man im Falle einer Insolvenz nicht mal eben wieder zu Geld machen kann:
„Was machen Sie denn? Software. Nein, das finanzieren wir als Bank nicht.“
„Sie möchten hier bei uns im Saturn eine 0%-Finanzierung für Ihr Notebook? Ja, aber gerne. Wo sind sie angestellt? Selbständig? Das tut mir leid, da kann ich ihnen nicht helfen, haben sie Bargeld?“
„Schicken Sie uns erstmal ihren kompletten Business Plan zu, dann entscheiden wir. Hm, nach Durchsicht des Business Plans müssen wir ihnen leider mitteilen, dass wir Spielentwicklungen nicht finanzieren.“
Und so weiter und so fort…
Mein Kundenberater bei der Hamburger Sparkasse meinte bei der Absage dann allen Ernstes im Kumpelton: „Du, aber wenn Du sonst mal Hilfe brauchst, dann meld dich, ok? Wir können immer was möglich machen!“ Achso…
Der Business Plan
Wenn es eins gibt, wonach zu jeder Selbständigkeit und auch Firmengründung gefragt wird, dann ist es der einzig wahre, unglaubliche, nie zuvor gesehene, geheimnisvolle, magische, oft kopierte: Business Plan! Du benötigst ein Darlehen? Business Plan, bitte! Stellst einen Förderungsantrag? Business Plan, bitte! Stellst deine Geschäftsidee einem Fremden vor? Ihr kennt die Antwort.
Für einen Business Plan findet man haufenweise Tipps im Netz. Es gibt viele Vorlagen, davon ist eine komplexer als die andere – als wenn sich die Autoren dieser Vorlagen in einem Wettbewerb messen würden: „Jetzt mit 3 zusätzlichen Tabellen und ultraviel vorausgefüllten Zeilen, die ihre Geschäftsidee voll professionell aussehen lassen – versprochen!“. Ich verrate es schon jetzt: Ich halte nicht viel von Business Plänen. Sie sagen einem nur, ob derjenige der ihn geschrieben hat kein Anfänger ist.
Es ist schon richtig, dass ein Business Plan (im Folgenden nur noch BP) einem durch die Finanzplanung hilft, über zukünftige Kosten und Einnahmen sowie deren Dimensionen nachzudenken. Ist man ein Neuling in der Selbständigkeit, enthält ein BP aber eine Vielzahl an Positionen, die man vermutlich nicht ausfüllen kann, weil man sie ohne Erfahrungswerte nicht kennen kann. Fragt man herum oder auch seinen Steuerberater, zuckt der oft auch nur mit den Achseln und antwortet wie ein Anwalt mit: „Tja, das hängt davon ab. Sei clever!“. Man muss ihn also nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen, einfach machen.
Was mich an einem BP stört ist, dass man in den meisten Fällen sein Business nun mal schwer planen kann. Man hat zwar eine grobe Vorstellung davon, wie man Geld verdienen möchte. Aber das ‚Business‚ verläuft nicht wie im Plan, es startet schon in den ersten Monaten ganz anders als man denkt. Das merkt man spätestens, sobald man sich um den Verkauf seines Angebots kümmert. Selber Geld zu verdienen ist tierisch schwer! Im BP zeigt man eine Geschäftsentwicklung der nächsten 3 Jahre auf. Man hat jedoch noch keine Ahnung wie es sich entwickeln wird, daher ist ein Business Plan ein Blick in die Glaskugel und die Zahlen sind aus meiner Sicht nicht viel wert. Aber er zwingt einen, sich mit für das zu gründende Business relevante Zahlen und deren Dimensionen auseinanderzusetzen: Ich brauche richtig viele User, also schätze ich mal das benötigte Marketingbudget auf..hmmm…1.000.000,00 EUR. Moment mal, 1 Mio? Wo soll die denn herkommen?
Als ich über die Entwicklung von Social Games nachdachte, habe ich mich natürlich erkundigt, viel herumgefragt und recherchiert. Dabei habe ich versucht in Erfahrung zu bringen, wieviel man mit Free 2 Play-Games verdienen kann, wie man diese aufsetzt etc. Fragen über Fragen. Sowas hat man ja nunmal noch nicht selber vorliegen.
Ich habe Plattformen wie Quora genutzt und dort bestehende Fragen und Antworten gelesen, habe Veranstaltungen besucht, bei denen andere über ihre Erfahrungen sprechen und deren Sprecher danach noch 1:1 interviewt, um ein möglichst genaues Bild zu erhalten. Ich wollte es natürlich ganz exakt wissen. Ich habe sogar Analysen von Plattformen wie Inside Social Games genutzt, die über 1.500 US$ wert waren, und noch Reports zu Userzahlentwicklungen von bestehenden Spielen gekauft. Das Fazit war: die Userzahlen wachsen exponentiell schnell, man verdient eine Menge Geld, durchschnittlich 0,50 US$ pro User (ARPU). Diese Zahl wurde mir im Vertrauen von einem erfolgreichen Marktteilnehmer bestätigt. Ich fühlte mich daher sicher hierbei von realen Werten auszugehen. Wahnsinn! Das bedeutet ja, dass man sich schnell selber finanzieren kann! Und es machen nicht so viele… also zack zack, schnell sein – Time to Market ist entscheidend.
So funktioniert es aber nicht! Es klang zu schön um wahr zu sein. Aber nachdem mir das persönlich bestätigt wurde, war ich voller Hoffnung, dass man es genau so schaffen kann, wenn das Spiel gut wird! Und das war ja schließlich überhaupt keine Frage, es wird natürlich super!
Die Entwicklung eines Spiels ist sehr teuer. Über mehrere Monate arbeitet eine Vielzahl an Personen (Coder, Grafiker, Game Designer etc.) an einem Spiel, sowas kostet hohe 5 bis 7 stellige Beträge. Soviel Geld hatte ich nicht. Ich hatte zuvor moderat verdient und konnte nur wenig zur Seite legen, was dann beim nächsten Urlaub sofort aufgebraucht war. Also brauchte ich Investoren, die mir helfen das Spiel zu finanzieren. Für die Entwicklung, den Betrieb und die Vermarktung. Und bei der Aussicht des boomenden Geschäfts, der ich auch geglaubt habe, kann es ja nicht schief gehen.
Ich hatte nun also meine Hausaufgaben gemacht und wusste, was ich an Kapital benötigen würde und konnte den zukünftigen Investoren auch aufzeigen, wie wir Geld verdienen werden, ab wann Break Even eintritt und ab wann es zu Ausschüttungen kommen kann. Meine Referenzen waren auch gut, immerhin war ich jahrelang in der Gamesbranche und habe viele Spiele betreut und dabei geholfen, diese zu vermarkten. Zudem habe ich ebenso jahrelang diverse Medien produziert, Kreativ-Teams betreut und über hohe Etats verfügt. Ich war mir sicher: ich kann so ein Projekt stemmen!
Schaut nächste Woche wieder vorbei, um mit Tahsin auf Investorensuche zu gehen!
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