Gastblog Teil 5: San Francisco, Liquidation und Fazit einer Gründergeschichte

12.08.2014
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Tahsin Avci, Gründer von Pop Rocket Games

Ein letztes Mal begrüßen wir euch zu Tahsin Avcis Gastblog über die Gründung von Pop Rocket Games und die Veröffentlichung des Social Game „CopaSocca„.

Im vergangenen Teil drehte sich alles um die Promo-Phase nach Veröffentlichung. CopaSocca wurde sogar für den Deutschen Entwicklerpreis nominiert – definitiv ein Highlight!

Heute müssen wir leider Abschied nehmen, denn die Spielerzahlen von CopaSocca haben sich nach einer Anfangsphase nur mäßig entwickelt. Lest selbst, welches Fazit Tahsin aus der turbulenten Geschichte zieht.

Reboot in San Francisco

Das Jahresende kam und es gab keine großen Fortschritte. Das Spiel wuchs ganz leicht an Usern an, konnte sie aber nicht ausreichen halten. Wir hatten einfach zu wenig Spieler und nahmen kaum was ein. Was tun? In Deutschland hatten wir keine Optionen mehr gesehen.

Also entschieden wir uns nochmals in die Vollen zu gehen: Jedes Jahr findet in San Francisco die Game Developers Conference und auch die Game Connection statt. Das Geld für die Reise habe ich mir wieder geliehen, denn ich hatte Hoffnung geschöpft, dass es dort Lichtschimmer geben könnte. Ich buchte einen Flug und suchte mir ein sehr günstiges Hotelzimmer. Das fand ich dann auch im Stadtviertel Tenderloin. Tenderloin ist sehr zentral, perfekt also um von dort aus alles erreichen zu können. Ein kurzer Check auf Google Street View zur Lage, nur um sich schon mal auf die Umgebung freuen zu können…tja, und dann? Links ein Pornokino, rechts ein Sexshop, drüben ein Liquor Shop. Im Tenderloin-Wikipediaeintrag stand was von Gangs, Drogen und gefährlich. Ich habe die Buchung dann nochmal schnell an die Van Ness Avenue verlegt, von dort aus kann man fußläufig die Bay Area erreichen und dann gleichzeitig auf die Golden Gate Bridge und Alcatraz schauen. San Francisco ist eine echt sehenswerte Stadt. Die von beiden passendere Veranstaltung war die Game Connection. Hier geht es ums Kaufen & Verkaufen. Dazu nutzt man Speeddatings, die maximal 30 Minuten lang sind. Als ich dort ankam musste ich erst einmal warm werden mit dieser kalten Gesprächsakquise. Zu zögern war aber falsch, ich hatte daher nicht nur die vereinbarten Termine genutzt, sondern auch in passenden Situationen einfach alle Personen angesprochen, die ich mir schnappen konnte. Das ist auch ein gutes Mittel in der kurzen Zeit viele Kontakte zu knüpfen, und dafür war ich ja da. Drei Tage lang sieht man von San Francisco quasi nicht mehr als das hier:

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„Are you my meeting?“

Die Termine waren interessant, ich präsentierte wieder und versuchte für CopaSocca einen Partner zu finden. Es gab ein paar Interessierte und wir machten Followup-Termine für den Zeitraum nach den Veranstaltungen. Ich hatte auch gelernt geduldig zu sein, nix klappt schnell. Lernt man Kontakte kennen, so dauert es nun mal einfach Monate bis sich nach weiteren Gesprächen etwas Konkretes ergeben könnte, und sei es dann auch leider eine Absage. Ich hatte ja Zeit… nicht! CopaSocca war nun schon über ein Jahr alt und der Look fühlte sich schon etwas veraltet und unpassend an. Darüber hinaus zeichnete sich Mobile als ein noch wichtiger werdender Kanal ab. Daher bereiteten wir für die Followup-Termine einen moderneren Auftritt für CopaSocca vor. Das Grundkonzept von Copa funktionierte ja, aber Look & Feel und ein paar Details im Spiel benötigten definitiv Feinschliff, und so gaben wir dem Reboot einen neuen Namen: One Eleven! Ein dem Spielkonzept treubleibender Name, phonetisch passend und international verwendbar. Ich fand ihn echt gut:

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Der Reboot: One Eleven

Die vielversprechendsten Followup-Termine fanden persönlich in Deutschland und der Türkei statt, plus Telefontermine mit Argentinien. Eines der Gespräche fand bei einem großen ‚Player‘ in Frankfurt statt, sehr nette Menschen und ich freue mich jedes Mal diese auf Veranstaltungen wiederzutreffen, aber leider ergab sich keine Zusammenarbeit. Der Termin in der Türkei war in Istanbul. Ich hatte zum Glück kurz vorher eine Auftragsarbeit durchgeführt und konnte so die Reise und Unterkunft finanzieren. In die Türkei zu reisen war für mich sehr aufregend, denn ich war ewig nicht dort und hatte auch etwas Sorge einzureisen bzw. noch mehr Sorgen nicht mehr ausreisen zu dürfen: ich habe seit meiner Geburt zwei Pässe, den deutschen und den türkischen. Und ich bin in der Türkei noch militärpflichtig, da die Türkei meinen in Deutschland geleisteten Ersatzdienst nicht anerkannt hatte. Ich reiste mit dem deutschen Pass ein, das klappte auch gut. Bei der Ausreise habe ich aber tierischen Schiss gehabt, dass auf dem Monitor des Grenzbeamten irgendein Hinweis erscheint (Festnehmen! – Fahnenflüchtiger, sofort erschießen! – Haare ab und zum Einsatz an die südöstliche Grenze!). Ich wurde auf Türkisch angesprochen, ohje… Ich stammelte gebrochenes türkisch zurück, wurde zum Glück angelächelt und glaube immer noch, dass ich mir vermutlich versehentlich einen Tee beim Grenzbeamten bestellt habe. Ich durfte aber durchgehen…puh! Aus den Gesprächen ist leider gar nichts geworden. Es gab nicht immer eine Rückmeldung weshalb es nichts wurde, aber oftmals wurde ich einfach auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet, da jetzt irgendetwas anderes bei den jeweiligen Unternehmen gerade wichtiger war. Das war sie dann: die letzte Chance! Wir hatten wirklich alles probiert und mit Engelszungen gesprochen. Aber wir hatten einfach KEIN GLÜCK! Eine Absage nach der anderen, und CopaSoccas Userzahlen gingen langsam aber sicher nach unten.

Game Over: Die Liquidation

Es war nun Zeit sich an die Gesellschafter zu richten und um eine Entscheidung zu bitten. Das Konto der Gesellschaft habe ich sowieso schon lange mit nichts mehr belastet gehabt, und die Kosten anderweitig abgefangen, damit wir nicht insolvent werden. Aber nun war schon durch die laufenden Gebühren (Kontoführung, Bundesanzeiger, Jahresabschluss) ein Ende in Sicht. Ein für mich sehr schweres Schreiben, welches ich da aufsetzen musste. Es ist hart davon schreiben zu müssen, dass es keine Optionen mehr gibt. Ich hatte Sorge vor dem Feedback der Gesellschafter. Ich bekam aber zum Glück weitestgehend Verständnis, man hatte den Einsatz gesehen und wusste ja auch, dass die Gelder ins Spiel geflossen waren. Nur einer schoss quer und drohte mir quasi. Er benahm sich dabei aber so daneben, dass er es mir einfacher gemacht hatte, seine eigene Art als sein Problem zu identifizieren. Wir haben dann die Liquidation der Gesellschaften (PRG Social Sports UG & Co. KG sowie deren Tochter PRG Social Soccer GmbH) beschlossen. Ich ging zum Notar und leitete alles in die Wege. Eine Liquidation dauert jedoch 12 Monate an und beginnt mit einer Veröffentlichung dazu im Bundesanzeiger. Diese 12 Monate hat mich diese Last des Versagens bei CopaSocca regelmäßig gequält. Eine Niederlage einstecken kann ich durchaus, aber es fällt mir unheimlich schwer loszulassen und zu akzeptieren, dass der Kampf verloren ist. Ich gebe eigentlich nie wirklich auf, wenn ich auf Probleme stoße. Aber ich hatte keine Wahl, ich musste mich ergeben…

 

TA_self

Auch in schweren Zeiten muss ein Selfie drin sein!

Im Juni dieses Jahres war es dann soweit, die 12 Monate waren um. Ich ging den letzten Gang zum Notar, um den Auszug aus dem Bundesanzeiger vorzulegen und die Löschung der Gesellschaften zu beantragen. Die Konten wurden final geschlossen. Der Bilanzabschluss wird nun als letztes gemacht. Die Unterlagen muss ich als Liquidator noch Jahre aufbewahren.

Ich habe bei diesem Projekt viele Erfahrungen machen müssen:

  • Games sind High Risk.
  • Glück ist eine große Komponente des Erfolgs.
  • Die Vermarktung ist kein einfaches Thema. Es ist sehr kapitalintensiv und über eine ansprechbare Reichweite zu verfügen ist Gold wert.
  • Viralität funktioniert durchaus, aber wenn man 30 User ‚geschenkt‘ haben möchte, dann muss man nun mal selber erst einmal 100 vorlegen.
  • Monetarisierung von Free2Play Games funktioniert, bedarf aber einer großen Vielzahl an Usern
  • Selbständig Geld verdienen ist sauschwer.
  • Man kann das alles schaffen, aber siehe hierzu vor allem Bulletpoint 2

Heute habe ich gelernt mit dieser schweren Niederlage umzugehen. Und ich habe auch verstanden, dass ich ja wiederum auch viel an Erfahrung gewonnen habe, abgesehen von den teils wundervollen Menschen, die ich neu kennengelernt habe. Ich bin nach meinem Artikel in meinem eigenen Blog von vielen angeschrieben worden, die mir das auch noch einmal bestätigten.

Ich werde CopaSocca und die ganzen Erlebnisse aber sicher nie vergessen und werde mich da öfter dran erinnern. 2012 hatte ich bereits begonnen Auftragsarbeiten zum Geschäft der verbliebenen Pop Rocket Games UG hinzuzufügen und konnte mich damit ‚am Leben‘ halten. Das Auftragsgeschäft läuft sehr gut, wir sind ja auch nun mal wirklich keine Anfänger. Wir arbeiten ab und an auch an eigenen Ideen, aber ich brauchte etwas Abstand von eigenen Projekten und deren Risiko. Es geht weiter und ich freue mich über meinen aktuellen Erfolg mit meiner Pop Rocket Games UG, die bald zur vollwertigen GmbH wird.

Schlaf gut Copa, Du wirst mir trotzdem fehlen! 

Wir möchten uns ganz herlich bei Tahsin dafür bedanken, dass wir seine Geschichte hier im Blog auf Games-Career.com teilen durften. Hoffentlich hat sie euch so gut gefallen wie uns oder hilft euch bei eurer ganz eigenen Gründergeschichte!

 

About the author

Tahsin Avci
Tahsin Avci
Mit über 14 Jahren Erfahrung in der Entertainment-Branche hat Tahsin Avci bereits eine Vielzahl nationaler wie auch internationaler Produkte vermarktet. Vor der Gründung von Pop Rocket Games arbeitete Tahsin 5 Jahre als Produktmanager für Pop-Musikproduktionen und 9 Jahre in der Kommunikation und Vermarktung für Computer- und Videospielverlage unter anderem für Atari, Ubisoft oder auch dtp AG.

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