Heute möchten wir euch mal wieder aus allererster Hand vermitteln, wie es ist, in der Spielebranche zu arbeiten. Deswegen haben wir uns mit Dennis Kogel unterhalten, einem der bekanntesten Spielejournalisten Deutschlands. Bestimmt habt ihr Dennis‘ Arbeit schon des öfteren genossen, denn der 26-jährige Freiberufler ist medial praktisch auf allen Kanälen unterwegs. Wie er in seine heutige Position kam, was er an seinem Job mehr und weniger mag und welche Baustellen die Spiele- und Journalismusbranche seiner Meinung nach angehen sollten, erfahrt ihr in unserem Interview. Viel Spaß!
Games-Career.com: Karriere in der Games-Branche: Eher Zufall, oder war es schon immer dein Ziel?
Dennis Kogel: Ich sehe mich persönlich eigentlich weniger in der Games-Branche und mehr in der Journalismus-Branche. Das mit dem Journalismus war (einigermaßen) geplant, das mit den Videospielen eher weniger. Eigentlich wollte ich Musikjournalist werden, habe bei De:Bug über schottische Elektronika berichtet und für Online-Zines geschrieben, hab aber dann aber über das Lesen über Spiele in internationalen Medien und (wichtig!) der GEE gemerkt, dass unglaublich viel spannendes passiert in Videospielen. Ich habe dann angefangen mich wieder mehr mit Spielen zu beschäftigen (u.a. für GEE, Zeit Online, Titel Kulturmagazin) und bin irgendwann als Autor bei Superlevel.de gelandet. Marcus Richter hat mich dann übers Podcasten bei IndieFresse fürs Radio entdeckt und aus Finnland nach Berlin geholt und jetzt berichte ich über Spiele für Radio Fritz, Breitband, Spiegel Online, Zeit Online, Gamestar, Gamesmarkt und bin für die Games Academy als Dozent tätig.
GC: Du zählst zu den bekannten Köpfen der deutschen Games-Branche. Was hast du, was andere nicht haben?
DK: Realistisch: Glück. Richtiger Moment, richtige Leute kennen. Solche Sachen. Wenn ich mir die Berichterstattung über Spiele ansonsten aber anschaue: Bandbreite, den Willen rauszugehen. Ich arbeite unendlich gerne an großen Features über komplexe Themen, die nicht so richtig reinpassen in die klassische News/Preview/Review-Berichterstattung, etwa über die Darstellung von Folter in Spielen. Ich interessiere mich stark für abseitige Themen, für Sachen wie Brettspiele und Rollenspiele, für Indie-Entwickler, die noch nicht stark bekannt sind, für schwule Dating-Sims und kompetitive Binding-of-Isaac-Speedrun-Ligen. Und: Ich versuche das alles, so verständlich wie möglich zu verpacken, dass es eben auch Leute erreichen kann, die nicht das klassische Games-Publikum sind (das ist das Radio schuld).
GC: Braucht die deutsche Spielebranche Berühmtheiten und Persönlichkeiten oder reicht es aus, mit guten Spielen/guter Arbeit zu glänzen?
DK: Ein gutes Spiel, gute Arbeit reicht längst nicht mehr allein für Erfolg. Sowohl als Indie-Entwickler als auch als Journalist muss man sich im Prinzip selbst vermarkten, was oft schwierig und oft auch verdammt unangenehm sein kann. Was mir in der deutschen Spielebranche aber fehlt ist mehr Offenheit und noch mehr Ansprechbarkeit. Nicht unbedingt „Personality“ im Sinne von…ausgeflippten Rockstars, sondern eher Leuten, die viel, offen online kommunizieren und als Ansprechpartner für diverse Themen dienen können.
GC: Was gibst du denjenigen mit auf den Weg, die in der Games-Branche durchstarten wollen?
DK: Dinge ausprobieren, Dinge einfach machen. Nicht erst den Business-Plan zurechtlegen und Risiko-Analysen machen, sondern zu Game-Jams gehen, gucken, was geht, Ideen finden, nicht nur erfolgreiche Marken nachahmen. Das gilt auch für Spiele-Journalismus. Das machen bereits viele Entwickler, aber noch nicht genug.
GC: Was ist das Schönste an deinem Job? Was stresst?
DK: Neue Spiele und Entwickler entdecken, große Reportagen aufbereiten, mit den spannenden, interessanten, kreativen Menschen sprechen, die mit viel Leidenschaft an tollen Projekten arbeiten. Neben Deadlines stressen mich eigentlich vor allem die Dinge, auf die man als Journalist wenig Einfluss hat. Wenn Pressemuster nicht rechtzeitig kommen, irgendwo verloren gehen oder man als Autor für General-Interest-Medien das Nachsehen hat während Kollegen aus Games-Magazinen den neuen Titel seit ein paar Wochen rumfliegen haben.
GC: Sind Spiele nach wie vor ein privates Hobby von dir? Oder hast du nach der Arbeit genug von ihnen?
DK: Ich bin auch privat ziemlich begeistert von Spielen. Ich hab eine kleine Freundesgruppe, mit der ich vor allem Multiplayer-Games spiele: Payday, Borderlands, viel kooperatives Zeug. Nicht nur, weil es verdammt viel Spaß macht (tut es!), sondern auch weil es einfach ein gemeinsames Hobby ist, bei dem man sich auch echt gut unterhalten kann. Und: Ich liebe Brettspiele mit Freunden.
GC: Was machst du, wenn du morgen aufwachst und es keine Videospielbranche mehr gibt?
DK: Traurig sein, dann den riesigen Stapel Brettspiele im Wohnzimmer anschauen und Freunde einladen. Im Ernst: Wenn es keine Videospiele gäbe, dann würde ich wahrscheinlich über andere Formen von Spielkultur berichten und ansonsten mehr Beiträge machen über Netzkultur (was ich auch eh schon häufig mache).
GC: Welche Reaktionen bekommst du, wenn du bei Familienfeiern erzählst, dein Geld mit Themen der Gaming-Branche zu verdienen?
DK: „Ach, ich habe ja keine Zeit mehr zu spielen…“ und „Aha…hm…joah?“, ganz oft aber auch ehrliche Begeisterung und Interesse, wenn ich von den interessanteren Entwicklungen erzähle („Was!? SOWAS gibt es?“).
GC: Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
DK: Aufstehen, Kaffee machen, Mails checken, mehr Mails checken, Interviews vorbereiten, Interviews nachbereiten, recherchieren, mehr recherchieren, noch etwas recherchieren, Twitter, Spiele spielen und Material aufnehmen.
GC: Was ist das größte Problem, dass die Branche derzeit zu lösen hat?
DK: Der Journalismus? Geld. Und: Formate. Im Sinne von: Was sind Formate, die wichtig sind? Wie erreichen wir Leute? Welchen Sinn erfüllen Spielejournalisten? Sind wir erweiterte PR (das will ich nicht), begeisterte Hobbyisten (das ist durchaus valide, wenn auch inzwischen abgedeckt durch YouTuber) oder eben Journalisten, die über Spiele und Branche berichten. Und: Wie und wo lässt sich damit Geld verdienen wenn klassische Modelle wie Online-Werbung einfach nicht genug abwerfen, um Redaktionen zu bezahlen ohne SEO-Texte rauszuhauen oder bekannte Youtuber zu emulieren.
Die Spielebranche? Die Zielgruppe. Viele Publisher und Entwickler produzieren für eine Zielgruppe, die statisch ist. Hardcore Gamer eben. Es werden aber nicht unbedingt mehr Hardcore-Gamer. Die Herausforderung ist es, diese Zielgruppe zu erweitern. Diverser zu werden, offener für andere Einflüsse, inklusiver statt exklusiver.
GC: Worauf freust du dich vor jedem Arbeitstag am meisten?
DK: Mich in neue Themengebiete einzuarbeiten.
GC: Was ist der größte Irrglauben bezogen auf die Arbeit als Spielejournalist?
DK: Der Klassiker: Man würde sehr viel Zeit haben, Videospiele zu spielen. Das ist tatsächlich nur ein kleiner (wenn auch wichtiger) Teil der Arbeit.
GC: Dennis, vielen Dank für deine Zeit. Auf dass du auch weiterhin viel Munition für dein multimediales Feuerwerk findest!
Im Rahmen unserer Reihe „Köpfe der Spielebranche“ haben wir bereits Eindrücke der Berufsleben von Jochen Dominicus und Poki bekommen. Schaut mal rein!
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